Bereits zu Pfingsten kam in Salzburg eine Neuproduktion von Rossinis "Italienerin in Algier" heraus. Regie führte das Lieblingsteam von Festivalleiterin Cecilia Bartoli: das Duo Moshe Leiser und Patrice Caurier. Bartoli kehrte damit zu ihren sängerischen Wurzeln zurück, denn mit Rossini legte sie den Grundstein ihrer Karriere vor 25 Jahren. Ungefähr genauso lang schon steht das bretonische Ensemble Matheus für Spitzenniveau im Umgang mit Originalinstrumenten – auch diesmal wieder einstudiert von seinem Gründer Jean-Christophe Spinosi am Pult. Die Wiederaufnahme hatte am 8. August Premiere.
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Es geschieht immer wieder, dass bei Opernaufführungen der Dirigent als erster hervorgehoben werden muss. Jean-Christophe Spinosi nutzt die "Italienerin in Algier", um seinen Rang als Orchesterdompteur zu belegen: durch gewagte und gewagteste Tempi, ohne damit auch nur für Sekundenbruchteile Konfusion zwischen Bühne und Graben auszulösen. Allerdings ist totale Verwirrung vom Stück her vorgesehen: Das Libretto bedient Rossinis Vorlieben für Situationskomik, für Absurditäten. Als würde plötzlich Dadaismus um sich greifen, lange bevor er erfunden wurde. Im ersten Finale stammelt und stottert das durchgeknallte Bühnenpersonal nur noch. Aus ackernden Sängern werden gackernde Hühner - Menschen mutieren zu Tieren? Aber ja doch! Maestro Spinosi will mit großer Entschiedenheit, dass es für das Ohr mindestens so witzig wird wie für das Auge.
Die Inszenierung in Bildern
Gegenüber Pfingsten neu im Ensemble ist für Mustafà der baschkirische Bassist Ildar Abdrazakov: ein stimmpotenter Divo, der durch Agilität und Höhenglanz an einen Samuel Ramey erinnert. Durch sein ernsthaftes Agieren suggeriert der Sänger einen Macho in der Midlife Crisis: unter hormonellem, aber auch seelischem Druck – eigentlich bemitleidenswert. Als Lindoro bleibt der uruguayische Tenor Edgardo Rocha ein vergleichsweise blasser, kunstsinniger Kehlkopfakrobat. Aber wie das so ist, wenn sich nach einer Bellezza all'italiana gewissermaßen alle Eisenspäne ausrichten, erfährt man durch Cecilia Bartoli als Isabella – einen emanzipierten Vamp. Intelligent geht sie mit Details des Notentextes um, kontrolliert ihr Vibrato perfekt. Dabei wirkt La Bartoli jederzeit als Herrin der schwindelfreien Virtuosität und zugleich wie eine augenzwinkernde Kommentatorin des einstigen Primadonnen-Kults. Diese Interpretin will Star-Allüren gezielt ausstellen, mitten im ästhetischen Seiltanz. Das muss man gesehen und gehört haben.
Gioachino Rossini:
L'italiana in Algeri
Dramma giocoso in zwei Akten
Musikalische Leitung: Jean-Christophe Spinosi
Regie: Moshe Leiser, Patrice Caurier
Details zu weiteren Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Salzburger Festspiele.
Sendung: "Allegro" am 9. August 2018 ab 16:05 auf BR-KLASSIK