Die Neuproduktion von Mozarts letzter Oper "La clemenza di Tito" feierte am Freitagabend in Salzburg Premiere. Am Pult: ein junger Wilder unter den Dirigenten - Teodor Currentzis. Gemeinsam mit Regisseur Peter Sellars gelingt ihm ein ebenso inspirierender wie aufwühlender Opernabend.
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Schon mit der Ouvertüre ist klar: Regisseur Peter Sellars und Dirigent Teodor Currentzis blicken nicht zurück auf den altrömischen Kaiser Titus und die historische Antike. Sie erzählen auf weitgehend leerer Bühne die Geschichte dieser letzten Mozart-Oper dicht an unserer gesellschaftlichen Realität. In einem Flüchtlingslager wählt Titus unter den Geflohenen das Geschwisterpaar Sesto und Servilia aus. Er will ihnen ein neues Leben ermöglichen. Die von diversen Liebeswirren weiter getragene Story spielt dann vor dem Hintergrund eines Bombenanschlags, den Sesto angestoßen hat. Dieser Terrorakt kostet vielen Menschen das Leben - letztlich auch Titus, der am Ende verzeiht und stirbt.
Teodor Currentzis trägt die Sänger um den überzeugenden Titelheld Russell Thomas, auch wenn die Koordination zwischen Solisten, Chor und Orchester am Beginn noch etwas holpert und sich erst finden muss. Neben Golda Schultz als Vitellia lässt vor allem auch Christina Gansch als Servilia mit strahlender Sopranstimme aufhorchen. Am Pult seines musicAeterna-Orchesters dirigiert Currentzis impulsiv. Er ist an diesem Abend stellenweise ein Übertreibungskünstler, der von Chor wie Solisten immer wieder langes Innehalten einfordert und extreme Details aufdeckt - hier aber nicht zum Schaden des Gesamtflusses. Das historisch informiert spielende Orchester musiziert unglaublich agil und differenziert. Gleiches gilt für den musicAeterna-Chor, der als Stimme des Volkes über weite Strecken das Geschehen prägt.
Diese "Titus"-Lesart von Sellars und Currentzis ist äußerst vielschichtig, geht zurück an die Wurzeln des Stücks und wirft zugleich gegenwärtige Fragen auf. Und: Sie ist aufregend und zeigt, dass Mozart-Interpretationsgeschichte in der Mozart- und Festspielstadt Salzburg wieder diskussionswürdig fortgeschrieben werden kann, weil sie lebendig ist. Ein aufwühlender, ein inspirierender Opernabend mit viel Beifall.
Musikalische Leitung: Teodor Currentzis
Regie: Peter Sellars
Tito Vespasiano: Russell Thomas,
Vitellia: Golda Schultz,
Servilia: Christina Gansch
Sesto: Marianne Crebassa,
Annio: Jeanine De Bique
Publio: Willard White
Infos zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Salzburger Festspiele.
Sendung: Allegro, 28. Juli 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK