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ARD-Themenwoche #wieleben Klassik und Klima

Star-Inflation, sinkende Gagen und allgemeine Erschöpfung - so sah es vor der Corona-Pandemie für viele klassische Musiker*innen aus. Hartmut Welscher ist Herausgeber des digitalen Klassikmagazins VAN und hat darüber nachgedacht, wie es nach der Corona-Pandemie in der Klassikbranche weitergehen kann. Ein Kommentar.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Beschäftigung mit Klima- und Umweltthemen berührt auch das Selbstverständnis der Klassikbranche. Vielleicht hat man deshalb lange so getan, als ginge es einen nichts an. Der Wert eines Orchesters oder einer Künstlerin leitet sich oft ab aus einer Wachstumslogik des Höher, Schneller, Weiter. Wenn sich Orchester über ihre internationale Präsenz definieren, kratzt die Forderung nach weniger Flugreisen an dem Selbstbild als Kultur-Leuchtturm. Wenn der globale Jet-Set wegfällt, nagt das am Selbstbewusstsein der Solist*innen. Deshalb führt ein Blame Game eher zur Blockade. Einerseits.

Aus dem Hamsterrad rauskommen

Andererseits haben viele Musiker*innen im Corona-Shutdown davon berichtet, wie erholsam sie es empfanden, mal aus dem Hamsterrad rauszukommen. Das hat sich eh weitgehend hohl gedreht: Star-Inflation, sinkende Gagen, kaum noch Einnahmen aus Aufnahmen, allgemeine Erschöpfung. Eigentlich hat die Klassikwelt den Sättigungspunkt des Überangebots überschritten, ab dem dann nur noch Entwertung einsetzt.

Orientierung an Qualität

Die Klassikbranche braucht neue Bilder von sich selbst. In der Postwachstumsökonomie liegt daher auch eine Chance: Konzentration auf das Wesentliche, Auseinandersetzung und Identifikation mit dem eigenen Ort, Resonanz von der eigenen Community, Orientierung an Qualität statt an Kilometern und Metropolen. Das hat nichts mit "Provinzialismus" zu tun. Im Gegenteil. Vielleicht wird Austausch erst dann gerade wieder spannend, wenn er etwas besonderes ist.

Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit prüfen

"Ist weniger produzieren nicht sinnvoll und nötig, wenn wir dafür mehr Qualität 'nach innen', in den menschlichen Vorgang des Produzierens stecken?", fragte neulich Bernhard Glocksin, der Intendant der Neuköllner Oper. Die frei werdende Zeit solle genutzt werden, endlich alle Prozesse auf ihre Umweltverträglich- und Nachhaltigkeit zu prüfen. "Auf dass auch der Kunst-, Musik- und Theaterbetrieb endlich seinen Anteil an der Lösung der großen Fragen leistet, anstatt nur zu reden oder Stücke darüber zu machen."

Nach der Krise wie vor der Krise

In der Corona-Pandemie ist unser Bewusstsein für die Absurdität eines auf Beschleunigung und endlose Steigerung ausgerichteten Handelns gestiegen. Ein europäisches Symphonieorchester für zwei Konzerte nach Asien fliegen? Ernsthaft? Ich hoffe, dass wir nach der Krise nicht reflexhaft zum Status Quo zurückkehren. Für Musiker*innen bliebe dann auch mehr Raum und Zeit für Inspiration und Durchatmen, nach der sich viele sehnen. Ökologisches Handeln bedeutet, Ressourcen zu schonen. Das betrifft die der Erde genauso wie die eigenen.