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Buchtipp - Peter Schneider: "Vivaldi und seine Töchter"

Er gab den Mädchen im Waisenhaus Musikunterricht. Das ist aber nur eine Seite von Antonio Vivaldi. Dem "roten Priester" werden auch diverse Liebesbeziehungen und Affären nachgesagt. In seinem Roman "Vivaldi und seine Töchter" spürt Peter Schneider auch diesen Gerüchten nach.

Bildquelle: Kiepenheuer & Witsch

"Dicht hinter der Ladentür bleibt Paolina stehen und hört eine Frage, die den verdächtigen Mann eindeutig als einen Spion der Inquisition kenntlich zu machen scheint: was der allseits verehrte prete rosso im Haus der beiden Schwestern denn so treibe."

Glücklicherweise verrät der ausgehorchte Goldschmied nichts. Aber Paolina ist alarmiert und wir als Leserinnen und Leser auch. Die Inquisition ist Antonio Vivaldi auf der Spur. Er, der wegen seiner roten Haare prete rosso genannt wird. Vivaldi ist geweihter Priester, venezianischer Komponist, Dirigent, Opern-Agent und Veranstalter. Zudem hat er mit zwei Schwestern, der Primadonna Anna Giró und deren Schwester Paolina, ein nicht durchschaubares Verhältnis.

Kurz und bündig

Dieses Buch wird lieben, wer ...
... Abwechslung mag.

Dieses Buch liest man am besten ...
... an einem kalten Winter-Nachmittag daheim.

Dieses Buch ist wie geschaffen ...
... als Weihnachtsgeschenk für Vivaldi-Liebhaber - und wer ist das nicht?

Roman mit vielschichtigem Vivaldi-Bild

Peter Schneider findet und erfindet in seinem Roman über den Komponisten viele Szenen. Die lassen das Italien des 18. Jahrhunderts lebendig werden. Sie bringen uns Vivaldi als Menschen nahe: jähzornig, leidenschaftlich und mit Hang zur großzügigen Übertreibung, wenn es ihm nützt: "Eingeschlossen in die Mauern der Pietá und die 'Enge seiner Brust' hat er sowohl für den Ausdruck religiöser Inbrunst, ja Entrücktheit wie auch für die Ausbrüche entfesselter Lebensfreude eine musikalische Sprache gefunden."

Aus Film-Idee wird Buch

Schneiders Buch ist so eine Art Doku-Drama in Schriftform: Spielerisch gestaltet, spannend zu lesen, gut recherchiert. Und sogar das Making-Of bekommen wir mitten im Roman auch mit: "Vor dem Abschied sagte ich ihm, dass ich ein Buch über Vivaldi schreiben und ihm widmen würde. Das schien ihm zu gefallen."

Wem? Dem berühmten Kameramann Michael Ballhaus. Der hatte, als er aus Amerika nach Deutschland zurückkehrte, angekündigt, ein lange geplantes Projekt verwirklichen zu wollen: einen Film über Antonio Vivaldi. Und das unter der Regie von Volker Schlöndorff und einem bereits vorliegenden Drehbuch von Peter Schneider. Der Film ist allerdings nie gedreht worden. Denn Ballhaus starb 2014. Peter Schneider jedoch verdankt dem befreundeten Kameramann den Anstoß zu diesem Thema.

Zwischen Historie und Fiktion

Wie so oft bei einem Doku-Drama ist nicht immer klar: Wo hört das historisch Nachweisbare auf, wo beginnt die Fiktion? Doch der Autor beherrscht seine Mittel souverän. Dass Schneider allerdings eingangs behauptet, in Deutschland sei kaum bekannt, dass Vivaldi ein Mädchenorchester geleitet habe, stimmt nicht. Positiv aber ist, dass er das Orchester vom Ospedale della Pietá als erstes europäisches Frauenorchester aufwertet und thematisiert.

Natürlich liegt dann ein Schwerpunkt auf der Beziehung von Vivaldi und seiner Schülerin und Primadonna Anna Giró. Eine Liebesbeziehung – doch welcher Art? Das bleibt offen. Dann wird auch die Musik reflektiert und die Geschichte der Wiederentdeckung Vivaldis erzählt. Dass Salesianermönche aus Montferrat zu Beginn des 20. Jahrhunderts über 50 Vivaldi-Autographen zum Verkauf angeboten haben, ist natürlich filmreif: ein gekonntes Buch!

Weitere Infos

Peter Schneider:
"Vivaldi und seine Töchter"

Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln
287 Seiten
Preis: 20,00 Euro

Sendung: "Allegro" am 3. Dezember 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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