Er ist Pater und Autor: der Benediktinermönch Anselm Grün. Über 300 Titel hat er veröffentlicht, in -zig Sprachen wurden seine Bücher übersetzt. Verdienen tut er an dem Erfolg nichts, alles kommt dem Kloster Münsterschwarzach zugute. Über 56 Jahre lebt er dort schon bescheiden nach den Regeln der Benediktiner: Ora et labora. Bete und Arbeite. Und so braucht Pater Anselm auch zum Schreiben seiner Bücher kein besonders esoterisches Ambiente. In seiner spartanisch eingerichteten Zelle ist auch sein neuestes, spirituelles Buch entstanden – wobei, mit 160 Seiten ist es eher ein Büchlein.
Bildquelle: Bärenreiter
Der Buchtipp zum Anhören
Mit spirituellen Büchern ist das so eine Sache, entweder man lässt sich darauf ein – oder man lässt es lieber gleich. Vielleicht schaut aber doch noch mal ein bisschen rein, am Abend, in aller Ruhe. Oder in der S Bahn. Tatsache ist: Anselm Grüns Buch "Meine Musikrituale" eignet sich perfekt zum gelegentlichen Reinlesen.
Das vorweg: Stilistisch gibt es an einem Buch über persönliche Musikrituale nicht viel zum Herummosern, weil, es geht nicht um den Pulitzerpreis, sondern um eine menschliche, eine musikalische Botschaft. Und die formuliert Anselm Grün so: "Die Musik bringt uns in Berührung mit unserer Sehnsucht. Es ist letztlich die Sehnsucht nach einer Liebe, die nie aufhört."
Es gibt eine legitime heile Welt, in die ich mich begeben kann, um die kaputte Welt um mich herum zu relativieren.
Pater Anselm Grün | Bildquelle: BR/Kammhuber Also betrachtet, belauscht Pater Anselm verschiedene Musikstücke von Mozart, Haydn, Beethoven, Konstantin Wecker, von Bach – und er stellt ihre jeweilige "Sehnsuchtstauglichkeit" vor. Für den Pater, der selbst fünf Mal am Tag im Choral singt, ist Musik so etwas wie ein Paralleluniversum. Das uns einen Raum öffnet, in dem wir ehrlich in uns hineinhorchen dürfen und sollen. Und der uns bei der entsprechenden inneren Bereitschaft verwandelt, wie Anselm Grün es nennt. "Es gibt eine legitime heile Welt, in die ich mich begeben kann, um die kaputte Welt um mich herum zu relativieren. Aber entscheidend ist, dass ich dann aus der heilen Welt immer wieder aufbreche, um in meine konkrete Welt zurückzukommen und mich dem zu stellen, was das Leben von mir fordert, und um diese Welt zum Guten hin zu ändern."
Dieses Buch wird lieben, wer …
… an die Heilkraft von Musik und Kamillentee glaubt.
Dieses Buch liest man am besten …
… häppchenweise.
Dieses Buch ist wie geschaffen für …
… Momente, in denen man Zeit hat, beim Musikhören in sich hinein zu lauschen.
Viel von dem, was Anselm Grün beschreibt, wissen wir. Intuitiv. Und doch ist eine Stärke des Buches, dass der Pater eben nicht wohlige Räucherstäbchenseligkeit verströmt, sondern konkret wird. Er spricht von uns allen bekannten, höchst widersprüchlichen Gefühlen wie innere Leere, Zärtlichkeit, Depression, Sorge, Zerrissenheit und – Schönheit.
In Mozarts Musik wird die Schönheit hörbar.
Nehmen wir uns mal die Schönheit vor – ein subjektives Gefühl, postuliert Immanuel Kant. Stimmt nicht, meint Anselm Grün. Er hat einen Favoriten in Sachen musikalischer Schönheit, wo es schier unmöglich ist, überzeugende Gegenargumente zu finden. "Für mich ist die Musik von Mozart schön. Ich empfinde sie nicht nur so. In ihr wird die Schönheit hörbar. Aber es ist keine Beschönigung, sondern eine Schönheit, die alle Höhen und Tiefen, alles Helle und Dunkle miteinander verbindet und gleichsam erlöst und heilt."
Man kann also Anselm Grüns Buch als Ratgeber zur Hand nehmen, darin stöbern und sich eine ganz individuelle Playlist zusammenstellen. Es ist eine Art musikalischer Erste-Hilfe-Kasten. Ganz gleich, ob Anselm Grün eine Passion von Bach unter seine Lupe legt, oder den "Elias" von Mendelssohn – für den Pater steht Musik nie für Askese, sondern immer im Dienste des Menschen und damit eines lebenswerten, erbaulichen Lebens. "Es ist unsere Aufgabe, intensiv zu leben. Dann ist unser Leben auch von Freude geprägt."
Anselm Grün
Meine Musik-Rituale – Wie Musik uns verwandelt
157 Seiten, gebunden
Bärenreiter Verlag
Preis: 19,95 Euro
Sendung: "Allegro" am 17. Juni 2021 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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