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Buch - Die Reichsmusikkammer Musik unter der Nazi-Diktatur

Dieses Buch vermittelt einen weitreichenden Einblick in den von den Nazis beherrschten Musikbetrieb, in seine Systematik und seine Personalien. Die Aufsätze machen klar, wie umfassend und gnadenlos die Nazis die Musik und die Musiker für sich instrumentalisierten.

Bildquelle: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

"Von allen geistigen Schöpfungen der deutschen Kultur besitzt die Musik die weitaus stärkste Wirkung. Durch einen planmäßigen Einsatz der deutschen Musik kann Deutschland im Ausland sehr starken Einfluss ausüben." So hieß es in einem Bericht des Sicherheitsdienstes des Dritten Reichs. Im durchorganisierten und -kontrollierten Staat der Nationalsozialisten spielte die Musik eine wichtige Rolle. Sie sollte die Menschen nicht nur in Deutschland unterhalten und von den Repressionen des gewalttätigen totalitären Systems ablenken, sie sollte auch als geistig-ideologische Waffe nach außen wirken.

"Arabella" als Politikum

Von der "Kriegswaffe Musik" spricht denn auch der Musikwissenschaftler Oliver Bordin in seinem Aufsatz über den Kriegseinsatz von Dirigenten während des Nationalsozialismus. Mit Auftritten etwa der Berliner Philharmoniker im Ausland wollten die Nazis die kulturelle Überlegenheit der Deutschen demonstrieren. Die dafür zuständige Behörde hieß Reichsmusikkammer, ihr erster Präsident Richard Strauss. Der weltberühmte Komponist half den Nazis, sich als kulturell aufgeschlossenes Regime zu präsentieren. Und Strauss benutzte sein Amt für seine Interessen als Komponist, das stellt Gerhard Splitt in seinem Aufsatz klar:
"Die Uraufführung der "Arabella" am 1. Juli 1933 wurde zur ersten wirklich bedeutenden, von allen deutschen und einigen ausländischen Sendern live übertragenen Opern-Uraufführung des jungen NS-Staats."

Prominente Opportunisten

während der Reichstheaterwoche, Dresden 1935 | Bildquelle: Imagno/Süddeutsche Zeitung Photo Der Präsident der Reichsmusikkammer Richard Strauss im Gespräch mit Joseph Goebbels im Hotel Bellevue in Dresden 1935. | Bildquelle: Imagno/Süddeutsche Zeitung Photo Richard Strauss, der bis 1935 die Reichsmusikkammer leitete, war in seiner Nähe zum Naziregime zwar kein Gesinnungstäter im politischen Sinn, aber dem "gestandenen Antidemokraten", wie Splitt den Komponisten nennt, waren die Nazis zunächst weniger schädlich als nützlich erschienen. So erläutert Splitt, wie sich der bedeutendste deutsche Komponist nach der Machtergreifung geradezu an die Nazis angebiedert hat. Ähnlich opportunistisch gab sich auch der Komponist Werner Egk, der 1941 die Fachschaft Komponisten in der Reichsmusikkammer übernahm. Friedrich Geiger zeigt, dass Egk noch geschickter als Strauss vorging, um sich persönliche Freiräume und Vorteile zu verschaffen.

Weitreichender Einblick in den Musikbetrieb

Derweil blickte der zusehends von den Nazis kaltgestellte Paul Hindemith in einem als Fabel getarnten Spottgedicht mit beißender Ironie auf seine opportunistischen Musiker-Kollegen, wie Susanne Schaal-Gotthardt darlegt:
"Das Gedicht beginnt mit der Personalie Strauss: Der zum Präsidenten der Kammer ernannte greise Komponist wird als "stolzes Tier" beschrieben, dem Goebbels‘ Verehrung zum Kopfe gestiegen sei und der rücksichtslos von den mit dem Posten verbundenen Privilegien profitiere."

Buch-Cover: Die Reichsmusikkammer. Kunst im Bann der Nazi-Diktatur | Bildquelle: Böhlau Verlag Bildquelle: Böhlau Verlag Das Buch "Die Reichsmusikkammer" vermittelt einen weitreichenden Einblick in den von den Nazis beherrschten Musikbetrieb, in seine Systematik und seine Personalien. Der freie künstlerische Wille hatte zu dieser Zeit keine Chance mehr auf Entfaltung. Wer sich dem System und seinen Vorgaben nicht vollständig unterwarf, wurde kaltgestellt – auf die eine oder andere Weise. Die Aufsätze des Buchs machen klar, wie umfassend und gnadenlos die Nazis die Musik und die Musiker für sich instrumentalisierten - und wie bereitwillig sich viele Musiker und Funktionäre darauf eingelassen haben.

Die Reichsmusikkammer – Kunst im Bann der Nazidiktatur

Albrecht Riethmüller und Michael Custodis (Hrsg.)
gebunden, 245 Seiten
29,99 Euro     
erschienen im Böhlau Verlag

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