Dieses Buch ist eine Rückschau von Gesprächen, die über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren entstanden sind. Harnoncourt befasst sich mit Haydn und einem "Krokodil namens Mozart", und erläutert, warum große Kunst aus Zweifeln entsteht.
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Nikolaus Harnoncourt
"... es ging immer um Musik"
Nikolaus Harnoncourt befand sich selbst lange Zeit in Opposition zum herrschenden Musikbetrieb. Er engagierte sich schon in den 1950er-Jahren für die historische Aufführungspraxis - zu einer Zeit, als sie noch keineswegs eine so breite Zustimmung fand wie heute. Von seiner Außenseiterrolle ließ sich Harnoncourt dabei nie beirren, denn Opposition ist für den Musiker nichts Schlechtes, im Gegenteil.
Der Gesprächsband "… es ging immer um Musik" vereint Interviews mit Harnoncourt, die über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren entstanden sind. Wer die Gespräche liest, stellt fest, dass sich Einstellungen und Sichtweisen des Dirigenten im Lauf der Zeit kaum verändert haben. Es wird klar, Harnoncourt geht es um die "Unmittelbarkeit des Ausdrucks". Das bedeutet, die Zuhörer sollen Kompositionen vergangener Jahrhunderte so erleben können wie das Publikum zur Zeit ihrer Entstehung. Wobei Harnoncourt natürlich sehr wohl weiß, dass das Wissen über die Aufführungspraxis der Entstehungszeit der Werke immer nur ein Annäherungswert sein kann.
Zentral bleibt die Beschäftigung mit dem Notenmaterial und den Zeitquellen, auch bei Werken, die er seit Jahrzehnten dirigiert. Deshalb ist Harnoncourt in seinem musikalischen Tun auch kein Dogmatiker, wie manche es ihm unterstellen. Er arbeitet auch mit traditionellen Symphonieorchestern zusammen. Die "Sprachlichkeit von Musik" ist eine zentrale Vokabel in Harnoncourts musikalischem Denken. Musik ist für ihn Sprache, und deshalb sei es auch so wichtig, dass Menschen von früh an diese Sprache erlernten. Wie Kent Nagano in seinem jüngst erschienenen Buch "Erwarten Sie Wunder" plädiert auch Harnoncourt immer wieder mit Nachdruck für die Rehabilitierung der musischen Bildung, die wesentlich für den Menschen sei, auch wenn dies heutzutage in Vergessenheit zu geraten scheine.
Es sind pointierte Statements, die den Interviewband so lesenswert machen. Auch wenn die Fragen von unterschiedlichen Journalisten und Medien durchaus von unterschiedlicher Güte sind - wenn beispielsweise gefragt wird, wann er denn nun in Rente gehe.
Wie in der Musik, so ist Harnoncourt auch im Reden stets molto espressivo und setzt gerne scharfe Akzente. Es hat sich schon immer gelohnt, sich mit Harnoncourts kenntnisreichen Gedanken über Musik auseinander zu setzen. Dieses Gesprächsbuch hat gegenüber den ausformulierten Büchern über Musik klare Vorteile: Es ist leichter zugänglich und die Botschaft erschließt sich unmittelbarer.
318 Seiten
erschienen im Residenz Verlag