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Buchtipp: Ellinor Skagegård Fanny Mendelssohns unerhörtes Gespür für Musik

Felix Mendelssohn Bartholdy ist unbestritten ein wichtiger Mann in der Musikgeschichte. Dass er auch eine enorm musikalische Schwester hatte – Fanny, weiß man zwar theoretisch. Aber wer war sie, diese Fanny? Diese hochbegabte Musikerin und treue Schwester. Die schwedische Autorin Ellinor Skagegård hat verschiedene Biografien über die Mendelssohns gewälzt, dazu noch Geschichtsbücher – und dann mit viel Phantasie aus den Quellen eine Geschichte über Fanny geschrieben.

Bildquelle: Insel Verlag

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Fanny und Felix Mendelssohn sind musikalisch, wohlhabend, gebildet und protestantisch getauft: Sie wachsen auf in einem Deutschland, das sich gerade neu definiert. Wo ihr Großvater noch durch das Rosenthaler Tor nach Berlin kam, barfuß, mit dreckigen Kleidern. Es war im Jahr 1743 das einzige der 17 Stadttore, durch das Juden überhaupt eintreten dürfen. Aus diesem Moses Mendelssohn sollte ein geachteter Philosoph werden, ein aufgeklärter Deutscher. Aus zwei seiner Enkel sollte das berühmteste musikalische Geschwisterpaar werden. Oder halt, eigentlich wurde nur einer berühmt: Felix. Fanny spielt zwar als Kind bei weitem besser Klavier als Felix, vor allem Bach, sie gräbt sich hinein in die Geheimnisse des Komponierens, in die vertrackte Lehre des Kontrapunkts. Felix vergöttert seine Schwester:

Ich denke, es ist die schönste Musik, die jetzt ein Mensch auf Erden machen kann.
Felix über seine Schwester Fanny

Frau und Komponistin – scheinbar unvereinbar

Fanny Hensel, geb. Mendelssohn, Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1842 | Bildquelle: picture-alliance / akg Fanny Hensel, geb. Mendelssohn, Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1842 | Bildquelle: picture-alliance / akg Solange sie ein Mädchen ist, ist das mit der schönsten Musik auch in Ordnung, sogar entzückend. Aber als Frau eine Musikerin, eine Komponistin? Da geht das nicht. Das postuliert Fannys Vater Abraham und bläst somit ins selbe Horn wie die meisten Musikkritiker jener Zeit: "Bis zur reiferen Komposition erheben sich die Damen nur selten, weil sie zur Festhaltung dessen, was das innere Ohr hört, eine Kraft der Abstraktion voraussetzt, die überwiegend den Männern gegeben ist." Das geht anscheinend gar nicht in den 20ern des 19. Jahrhunderts ...

Die Autorin Ellianor Skagegård fieselt in ihrem Buch “Fanny Mendelssohns unerhörtes Gespür für Musik” das Frauenbild und die besonderen Umstände der Familie Mendelssohn sorgfältig auseinander. Und sie stellt fest: Sicher gibt es die Konservativen, die die Frauen in der Küche, im Bett und am Stickrahmen haben wollen. Auch Fannys Ehemann Wilhelm Hensel ist zunächst einer von dieser Sorte. Doch nachdem er erkennt, dass Fanny ohne Musik verkümmert, unterstützt er sie sogar. Ihre Auftritte, ihre Veröffentlichungen von Kompositionen sind zwar seltener als eine Sternschnuppe. Aber Fanny bringt Goethe zum Schwärmen, den jungen Charles Gounod sowieso, die Gäste in den Salons und einen Kritiker der Zeitschrift "Harmonium":

Sie ist alles andere als eine oberflächliche Komponistin, sie hat diese Wissenschaft sehr gründlich studiert und schreibt mit der Souveränität eines Meisters.
Kritik in 'Harmonium'

Judenhass im deutschen Biedermeier

Fanny Mendelssohns Talent muss also enorm groß gewesen sein, so groß, dass der Umstand "Frau" kaum zählt. Weitaus schwieriger verhält es sich damit, dass Fanny aus einer jüdischen Familie kommt, erläutert die Autorin. Sie trägt historische Fakten zusammen – über Hofjuden, über jüdische Salons und über Judenverfolgung, die in Würzburg ihren Anfang nimmt:

Die Pogrome verbreiten sich wie ein Lauffeuer in Bayern und bald auch in anderen Städten. Hep Hep Jude verreck.
Zitat aus dem Buch

Nicht zuletzt diese "Hep Hep"-Krawalle veranlassen schließlich auch die Eltern Mendelssohn, hinter dem Rücken der orthodoxen Großmutter Bella Salomon zu konvertieren. "Durch Bildung und Kultur können Juden Deutsche werden"ist das eine Tatsache oder nur eine Hoffnung von Abraham Mendelssohn? Wie wir aus der Geschichte wissen, eine Aussage ohne Bestand und ohne Garantie.

Umfassender Blick auf das Leben einer starken Frau

Mit klarem, nüchternen Blick analysiert Ellianor Skagegård das Jüdische, den Abschied vom Judentum und den Judenhass im deutschen Biedermeier. Sie beschreibt anrührend und mit Tagebuchauszügen unterfüttert die Seelenverwandtschaft der Geschwister Mendelssohn, die Emanzipation der Ehefrau Fanny vom Weibchen zur mutigen Musikerin, ohne je ins Rührselige abzudriften. Ein neuer, umfassender Blick auf das Leben einer starken und mutigen Frau. Da schaut man dann auch großzügig über den etwas schwülstigen Titel "Fanny Mendelssohns unerhörtes Gespür für die Musik" hinweg.

Infos zum Buch

Ellinor Skagegård
Fanny Mendelssohns unerhörtes Gespür für Musik

Insel Verlag, 2021
Klappenbroschur, 237 Seiten

Preis: 14,00 Euro

Sendung: "Allegro" am 6. Mai 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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