Die 500-jährige Geschichte der Familie Mozart ist reich an Höhepunkten, Krisen und Rätseln. Mit Energie und Zielbewusstsein haben sich die Mozarts den sozialen Aufstieg erarbeitet, bis sie mit Königen, Kaisern und Päpsten verkehren konnten. Das Buch dokumentiert den Werdegang einer ambitionierten Familie, deren Geist in der Musik unsterblich wurde.
Bildquelle: Benevento Verlag
Der Buchtipp zum Anhören
Es geht nicht nur um die Musik der Mozart-Generationen in diesem Buch. Vielmehr fragt der Historiker Michael Lemster generell: Wer waren sie, die Mozarts? Wo kamen sie her, wo gingen sie hin? Von ihren Anfängen im 15. Jahrhundert bis zum Tod der letzten Nachfahrin im Jahr 1965 in Augsburg spürt er der Geschichte vom Aufstieg und Verlöschen der Mozarts auf 384 Seiten nach. Los ging alles im Jahr 1487 in einem kleinen Dörfchen in Bayerisch Schwaben: "Hier also, in einem Nest namens Heimberg in den Stauden, drei Meilen oder gut zwanzig Kilometer westlich von Augsburg, lebte Andris (Andreas) Motzhart." So heißt es im Buch. Dieses Wissen verdankt man einem einzigen Dokument, das den Vorfahren Mozarts erwähnt: einer Urkunde aus Leitershofen, einem Dorf weniger als eine Meile von Augsburg entfernt. "Der Gründlichkeit eines Chronisten ist es also zu verdanken, dass wir wenigstens den Namen des Familienstammvaters kennen. Die Hofstelle in Heimberg wird noch heute gezeigt, das Haus, das darauf steht, ist jedoch das Werk eines viel späteren Mozart."
Dieses Buch wird lieben, wer …
... an Kulturgeschichte interessiert ist.
Dieses Buch liest man am besten …
... mit Mozartmusik
Dieses Buch ist wie geschaffen für …
... alle, die wissen, dass das Leben früher auch nicht besser war.
Es war eine wenig edle Heimat, deren Charakter sich noch in den Familiennamen eingeschrieben hat. "Mot" ist das mittelhochdeutsche Wort für schwarze Erde, Moder, Sumpf. Die Mozarts waren die, die im Morast wohnten – und da wollten die Motzharts, wie sie sich damals noch nannten, weg. Von Leitershofen reicht der Blick hinüber zu den Türmen und Mauern von Augsburg. Und über Generationen arbeitet sich die Familie an die damals bedeutende Reichsstadt heran.
Die "Mozarts", wie sie sich seit dem 17. Jahrhundert nennen, waren Bauern, Handwerker, Baumeister, Architekten, Minoriten, Priester und Buchbinder. Lemster erzählt chronologisch vom ersten bekannten Mozart in der Nähe von Augsburg, weiter vom Nachfahren, der es mitten im Dreißigjährigen Krieg schafft, Stadtbürger zu werden. Von einem Maurer, vom Buchbinder Johann Georg, dem Vater Leopold Mozarts. Er berichtet vom zähen Kampf, nicht nur ums Überleben, sondern um den sozialen Aufstieg, der für alle Mozarts wichtig war. Im Mittelpunkt stehen die über das Künstlerdasein hinausgehenden Lebensumstände von Leopold und dessen Sohn Wolfgang Amadeus. Leopold konnte seiner Musikleidenschaft ohnehin nicht uneingeschränkt frönen.
Die Mozarts wollen nach oben. Und sie wissen, wie das geht. Sie heiraten die richtigen Partner. Sie bringen die erforderlichen Opfer.
Leopold Mozart mit Wolfgang und Nannerl beim Musizieren, Aquarell, Paris im November 1763, von Louis Carrogis de Carmontelle | Bildquelle: picture-alliance / akg Natürlich sind Künstlertum und Lebensumstände unweigerlich miteinander verknüpft. Lemster beleuchtet das Generationenproblem zwischen Leopold und Wolfgang, die Beziehung zu Ehefrau und Mutter Anna Maria und Tochter und Schwester Nannerl, deren ursprünglich herausragendes Talent eine immer geringere Rolle spielen sollte. Es geht um Freimaurerei und Religion. Und es zeigt sich, dass das Leben von Leopold wie auch Wolfgang absolut kein Triumphzug durch die Musikgeschichte war. Alltagsprobleme, Geldsorgen, Hygienebedingungen, Krankheiten und die beschwerlichen Konzertreisen inklusive Radachsenbrüchen werden anschaulich geschildert. Leopold ist bei Michael Lemster vor allen Manager der Firma Mozart.
Lemster schreibt manchmal etwas betulich und fügt viele eigene Erwägungen in die historischen Tatsachen ein, doch erzählt er die Familiengeschichte mit Gespür für das Zeitkolorit. Deutlich wird, wie umfassend die Macht von Adel und Klerus im Spätbarock und Rokoko alle Untertanen beherrschte und wie gut soziale Kontrolle funktionierte. Sein Buch ist wirklich lesenswert, gerade weil heute viele Menschen die grundlegende Bedeutung von bürgerlicher Freiheit für das Leben und die Kunst vergessen haben.
Michael Lemster:
"Die Mozarts – Geschichte einer Familie"
Benevento Verlag München, Salzburg
384 Seiten
Preis: 24,00 Euro