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Buchtipp – "Oper für alle" Die Biografie von Sir Peter Jonas

Er war einer der außergewöhnlichsten Intendanten der letzten Jahrzehnte und eine schillernde Persönlichkeit: Sir Peter Jonas. Von 1993 bis 2006 war er Chef der Bayerischen Staatsoper und er folgte er dem strikten Bekenntnis, nicht nur den Eingeweihten Zutritt zu gewähren. Sein Motto lautete: "Oper für alle!" Diesen Titel trägt nun auch die erste Biografie über Peter Jonas, der im letzten Jahr gestorben ist. Verfasserin ist Julia Glesner, Professorin für Kultur und Management in Potsdam.

Buch-Cover "Oper für alle" | Bildquelle: Insel Verlag

Bildquelle: Insel Verlag

Der frühe Tod seiner fünf Jahre älteren Schwester belastete Peter Jonas ein Leben lang. Sein Vater musste als Jude vor den Nazis aus Hamburg nach London fliehen, die Mutter war Engländerin mit jamaikanisch-libanesischen Vorfahren. Eindrücklich ist Jonas' schwierige und zerrüttete Familie in der Biografie "Oper für alle!" beschrieben: "Die Eltern trennten sich, sein Vater starb wenige Jahre später. Jonas verlor schon als Kind, als Jugendlicher das Gefühl, zu Hause zu sein. Er selbst sprach von sich als Schwindler. 'I am am fraud. Und morgen finden es aller heraus!' Seine Herkunft war sein Handicap, davon war er in jungen Jahren überzeugt."

Begeisterung für die Kirchenmusik

Peter Jonas war ein religiöser Mensch. Aus seiner Begeisterung für die Kirchenmusik entwickelte sich auch seine Faszination für die Opern. Julia Glesner beschreibt ausführlich Jonas' Weg zu den drei für ihn die wichtigsten Wirkungsstationen. Als Georg Soltis Assistent begann seine Managerkarriere beim Chicago Symphony Orchestra. Dann die English National Opera, bei der er zusammen mit Chefdirigent Mark Elder und dem szenischen Leiter David Pountney gegen die kulturfeindliche Politik von Premierministerin Margaret Thatcher ankämpfte. Und schließlich die Bayerische Staatsoper, wo er mit "Giulio Cesare in Egitto" die Münchner Händel-Renaissance einleitete und letztendlich seine Erfüllung und Heimat fand: "In der Produktion von Richard Jones und Nigel Lowery stand der stürzende Dinosaurier für den Fall des Römischen Reiches und seiner obsolet gewordenen Ordnung. Im übertragenen Sinn aber konnte die Metapher für den Sturz der alten Ordnung an der Bayerischen Staatsoper München gelesen werden."

KURZ UND BÜNDIG

Dieses Buch wird lieben, wer …
.... sich für Peter Jonas interessiert.

Dieses Buch liest man am besten …
...zu Musik von Händel.

Dieses Buch ist wie geschaffen für …
... Kenner und Neueinsteiger.

Die "dunklen Seiten" des Sir Peter

Wir erfahren viel darüber, mit welchen Mitteln und mit welcher rücksichtslosen Arbeitswut – sich selbst und anderen gegenüber – Jonas diese drei Kulturinstitutionen verändert hat. Er liebte die Provokation, die Show, war nicht frei von Unzulänglichkeiten und ein Intendant der polarisieren wollte. Er konnte, wie Glesner schreibt, brillant, gewinnbringend aber auch verletzend sein.

Jonas wusste, wie er die Menschen an ihren schwächsten Stellen packen konnte, das gehörte zu seinen dunklen Seiten. ... Zu einem Mitarbeiter hat er beispielsweise gesagt: "Das einzige, wirkliche Problem ist, dass Ihre Eltern nicht verhütet haben und Sie deswegen auf die Welt gekommen sind."

Längen, Stilblüten und Ungenauigkeiten

Knapp 700 Seiten, das ist für eine Biografie eines so wichtigen Mannes nicht unüblich. Aber in diesem Fall hätten dem Buch doch einige Kürzungen gut getan. Das ist oft wirr, durchsetzt mit Zitaten, eingeschobenen Gesprächsverläufen und Namedropping, ohne den Zusammenhang zu erläutern. Dazu fallen nicht selten grammatikalische und auch inhaltliche Fehler auf: So wird Ivor Bolton wird im Buch etwa als Regisseur bezeichnet, ist aber Dirigent. Außerdem gab es unter Sir Peter Jonas keine Zauberflöte, wie im Buch behauptet wird. Das spricht nicht gerade für ein gründliches Lektorat. Ob seine Ehen, Affären und die Details seiner Krebserkrankung, die er über 40 Jahre mit bissigem Humor bekämpfte, so detailliert geschildert werden müssen, bleibt dahingestellt. Sehr ärgerlich: Es fehlt ein Register! Man merkt dem Projekt an, dass es mit der heißen Nadel gestrickt ist. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Infos zum Buch

Julia Glesner
Oper für alle – Die Biografie von Sir Peter Jonas

652 Seiten, gebunden
Zahlreiche Abbildungen
Insel Verlag
Preis: 34,00 Euro (Hardcover), 29,99 Euro (E-Book)

Ursprünglich hatte Donna Leon, die Krimiautorin und erklärte Opernfreundin eine Autobiographie in Zusammenarbeit mit Jonas geplant. Beide verband über ein Vierteljahrhundert die Passion für Händels Musik. Doch das Projekt konnte sie nicht mehr realisieren. Dafür hat sie über vier Seiten ein launiges und persönliches Vorwort zum Buch von Julia Glesner geschrieben.

Sendung: "Piazza" am 29. Mai 2021 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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