Am 15. Mai dieses Jahres jährt sich das Datum von Claudio Monteverdis Taufe zum 450. Mal. Es gibt also ein Jubiläum zu feiern. So wird - nur ein Beispiel für das musikalische Gedenken - John Eliot Gardiner denn auch bei den Salzburger Festspielen 2017 alle drei überlieferten Monteverdi-Opern halbszenisch aufführen. Und rechtzeitig ist auch einen neue Monteverdi-Biographie erschienen. Geschrieben hat sie Silke Leopold, emeritierte Direktorin des musikwissenschaftlichen Seminars in Heidelberg und Autorin zahlreicher Veröffentlichungen zur Musik der Renaissance und des Barock.
Bildquelle: Carus-Verlag
Die Buchkritik zum Anhören
Man muss nicht unbedingt so weit gehen wie der Dirigent René Jacobs, der mir vor Jahren einmal mit leisem Schmunzeln sagte, der wahre Verdi heiße nicht Giuseppe Verdi, sondern Monte-Verdi. Doch dass Claudio Monteverdi einer der bedeutendsten Komponisten der abendländischen Musik ist, gehört 450 Jahre nach seiner Geburt in Cremona zum Allgemeingut. Seine Opern "L'Orfeo", "Il ritono d’Ulisse in patria" und "L'incoronazione di Poppea", die vor einem halben Jahrhundert nur Spezialisten kannten, haben längst ihren Siegeszug über die Opernbühnen der Welt angetreten. Er schrieb zwar nicht die erste Oper der Musikgeschichte, aber ohne seinen 1608 uraufgeführten "Orfeo" und seine Ideen zur Gattung wäre, da ist sich seine jüngste Biographin Silke Leopold ziemlich sicher, "das zarte Pflänzchen Oper … wohl bald wieder verdorrt und als ein interessantes, aber kaum tragfähiges Experiment in die Musikgeschichte eingegangen".
Silke Leopold ist ausgewiesene Monteverdi-Kennerin, das bewies schon ihr 2002 erschienener Band "Claudio Monteverdi und seine Zeit". Der war freilich, anders als ihre neue Annäherung, keine Biographie, sondern kreiste um rein musikalische Fragestellungen. Jetzt verbindet sie Leben und Werk, fasst klug und kenntnisreich die leider überschaubaren biographischen Fakten zusammen. Die lassen sich vor allem, wenn auch sehr lückenhaft, aus den Briefen des Komponisten herauslesen. Anschaulich ordnet Leopold Monteverdis Leben und Werk in die politischen, sozialen und musikalischen Gegebenheiten seiner Epoche ein. Und zwischendurch erläutert sie in gezielten, gut lesbaren Analysen, wo seine Bedeutung auf dem Gebiet des Madrigals, der Kirchenmusik und eben dem der Oper lag und zum Teil immer noch liegt. Sie macht deutlich, weshalb ausgerechnet ein Komponist, der die Musik explizit und mit später kaum mehr erreichter Konsequenz als Dienerin des Wortes sah, dieser Musik gerade dadurch eine ungeahnte emotionale Wirkungsmacht verlieh. Monteverdis Fähigkeit, menschliche Gefühle und Affekte in idealer Verschmelzung mit dem dichterischen Wort musikalisch darzustellen, wurde selten erreicht - und vielleicht nie übertroffen.
Monteverdis Musik bei der Lektüre des Buches ein wenig im Ohr zu haben, ist ganz sicher kein Fehler. Aber zu Recht meint Silke Leopold, dass sein Werk auf CD wie im Netz mittlerweile jedem lücken- und problemlos zugänglich ist - in hochkarätigen Aufnahmen. Von daher regt diese Biographie auch zum lustvollen Wieder- oder Ersthören an. Was lässt sich Schöneres über ein Buch sagen?
Eine Biographie von Silke Leopold
halbleinen, 256 Seiten
16 schwarz-weiße Fotos
Preis: € 28.00
erschienen beim Carus-Verlag Stuttgart
Sendungsthema aus "Allegro" am 12. April 2017, 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK