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Buch – Auf Richard Wagners Spuren durch Europa "Wandrer heißt mich die Welt"

Es gibt wohl nur wenige Aspekte aus dem Leben Richard Wagners, die in der Literatur nicht schon abgedeckt wurden. Doch für den con brio-Verlag haben sich drei Autoren auf den Weg gemacht, Wagner auf seinen zahlreichen Reisen durch Europa auf Schritt und Tritt zu folgen und auf diese Weise der komplexen Persönlichkeit des Komponisten noch mehr auf den Grund zu gehen.

Bildquelle: con brio Verlag Regensburg

Der Buch-Tipp zum Anhören

"Leider stimmte mich hier alles ungemein traurig und verzweiflungsvoll … Ein ganz abscheuliches Konzertlokal, welches für gewöhnlich nur als Bierhalle diente …". Breslau, das Richard Wagner 1863 für ein Konzert besucht, ist ein Flop. Darmstadt eine Qual. Vor allem das Mittagessen, zu dem er und Cosima geladen sind: "Ein zu opulentes Mahl, namentlich für Richards leidenden Zustand. Die guten Leute denken, es geht ohne Champagner nicht ab, uns eine Pein." Das Essen vergeht Wagner auch im Café Kröpke in Hannover, dort schockiert ihn die Damenwelt mit ihrem Aussehen und Betragen: "In unserem Klima, wie soll der Schönheitssinn sich entwickeln. So kalt, so roh ist die Sinnlichkeit im Norden, so phantasielos. Ach! es ist ein Ekel."

Bilder aus dem Buch

Oft auf Reisen vom Pech verfolgt

Man könnte meinen, Richard Wagners Begegnungen mit der Welt seien die eines Misanthropen. Zumal ihn bei manchen seiner Reisen auch noch das Pech, beziehungsweise der Zoll, verfolgt. Mit dem bekommt er in Salzburg Ärger; in den Falten seiner Unterwäsche hatte er wertvolle Zigarren versteckt. Und dann plagt ihn auch noch das Salzburger Allerweltsübel: "Von Regengüssen überflutet!".

Zwischen Rebellion und Sesshaftigkeit

Richard Wagners Anlaufstellen in Europa | Bildquelle: Googlemaps Wagners Reiseziele in Europa | Bildquelle: Googlemaps Dass Richard Wagner in seinem Leben viel und nicht immer freiwillig unterwegs war, ist nichts Neues. Das ewige Muster von Rebellion, Verschuldung und Flucht einerseits und Sesshaft-Werden andererseits durchzieht sein Leben. Leipzig, Dresden und München sind wichtige Stationen. Auch Luzern, Bayreuth und Paris. Aber Wagner in Ettal und der Jachenau, in Toulon und Marseille, in Greenwich und Brighton, auf Burg Schreckenstein bei Ústí nad Labem und auf der Veste Coburg?

Das Wesen von Wiesbaden ist wohlfeiler Luxus und teure Gemeinheit.
Richard Wagner

"Meistersinger"-Vorspiel auf der Rheinbrücke

Hotel "Goldener Anker" in Bayreuth | Bildquelle: Joachim Mildner Das Hotel "Goldener Anker" in Bayreuth | Bildquelle: Joachim Mildner Im neuen Reiseführer "Wandrer heißt mich die Welt. Auf Richard Wagners Spuren durch Europa" lassen sich auch die unbekannten Stationen des Musikdramatikers studieren. Nach Ländern, Regionen, Bundesländern und Städten geordnet hat das Autoren-Trio Markus Kiesel, Joachim Mildner und Dietmar Schuth auf über 270 Seiten sämtliche Wagner-Orte zusammengetragen und mit den entsprechenden biographischen Kommentaren versehen. Dass in Wiesbaden die "Meistersinger" gereift sind, kann man dort nachlesen, und dass Wagner das Vorspiel dazu gern beim Spaziergang über die Rheinbrücke bei Kastel summte: "… bei einem schönen Sonnenuntergange und dem prachtvollen Anblick des 'goldenen' Mainz …". Jahrzehnte später fällt das Urteil über die hessische Landeshauptstadt dann reservierter aus: "Das Wesen von Wiesbaden ist wohlfeiler Luxus und teure Gemeinheit."

Kalt berührt von der Wartburg

Auch mit Missverständnissen räumt der Reiseführer auf. Legendäre Orte wie die Wartburg, die jeder mit Richard Wagner verbindet, standen beim Meister gar nicht hoch im Kurs. 1842 betrachtet Wagner sie nur im Vorbeifahren aus dem Zug. Fünf Jahre nach der "Tannhäuser"-Uraufführung besichtigt er sie erstmals, gut zehn Jahre später ein weiteres Mal, aber nur, weil er mehrere Stunden auf seinen Anschlusszug warten muss: "… von allem sehr kalt berührt".

Sauber recherchiert und biographisch verankert

Ein klassischer Reiseführer ist dieses Buch schon deshalb nicht, weil es viel zu schwer und im Din-A-4-Format für die meisten Taschen auch viel zu unhandlich ist. Es mal eben einzustecken, wenn man ohnehin in Sachen Oper und Wagner unterwegs ist, sollte man sich zweimal überlegen. Ein Buch für Menschen, die auch im Geiste mit Anderen mitreisen können, ist es allerdings sehr wohl. Bequem von daheim lässt es sich durchblättern und durchstöbern, von Antwerpen bis Zürich. Jeder Ort, jeder Wegpunkt ist sauber recherchiert, biographisch verankert, oft mit Tagebuch-Einträgen oder Briefzitaten garniert und von den Autoren pointiert mit der Jetzt-Zeit verknüpft. So kann man Wagner und seiner Welt nahekommen, ohne ihm zu sehr auf die Pelle zu rücken. Zwei klassische Baedeker-Sterne, einen Umweg zum Buchladen absolut wert.

Infos zum Buch

Markus Kiesel, Joachim Mildner, Dietmar Schuth:
"Wandrer heißt mich die Welt"
Auf Richard Wagners Spuren durch Europa
ConBrio Verlag, Regensburg
272 Seiten, über 800 farbige Fotos und Abbildungen
Hardcover
Preis: €54,00

Sendung: "Leporello" am 12. August 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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