Der schreibende Startenor bringt mit "Lebenskünstler" bereits seinen zweiten Roman heraus. Und wieder zeigt Rolando Villazón sein Faible für Fantastisches, Verspieltes und Komisches - in einem Buch voller schräger, einsamer und verliebter Zeitgenossen.
Bildquelle: Rowohlt
Der Buch-Tipp zum Anhören
Ich bringe nie etwas zu Ende. Ich erfinde und spiele meine kleinen Spiele, und das reicht mir im Leben. Mehr will ich nicht.
So fasst Palindromus, die Hauptfigur in Rolando Villazóns neuem Roman, sein Dasein zusammen. Er ist ein echter Lebenskünstler, der dann arbeitet, wenn er etwas Geld braucht (als Aktmodell oder Pizzabote). Und sonst als verschrobener Eigenbrötler durch die Gassen zieht, wobei er in seinem grünen Mantel aussieht "wie ein ungekämmter Grashüpfer".
Bildquelle: Monika Hoefler
Welche Gassen das sind, lässt Villazón im Unklaren, wie überhaupt seine Geschichte immer wieder von der Fantasie ins Surreale hinübergezogen wird. So zum Beispiel, wenn eine Fliege und ein Glühwürmchen sich an Palindromus‘ Fersen heften und später zu zweien seiner Freunde, Mopsos und Calcas, mutieren, die durch die Fliegenperspektive miterleben, was bei Palindromus los ist.
Allein sieben Freunde lernt der Leser näher kennen - plus Nebenrollen wie Kioskverkäuferinnen, Autowerkstattsbesitzer oder Obdachlose, aber auch Fische, Zyklopen oder Zentrauren. Und alle Figuren sind irgendwie Außenseiter mit einer feinen Note Narzissmus, geprägt durch Einsamkeitserfahrungen in der Kindheit. Und alle sind kleine Alltagsphilosophen mit jeweils eigener Perspektive auf das Leben.
Mittwoch, 3. Mai 2017, 16.05 – 17.00 Uhr
Eins zu Eins. Der Talk
Achim Bogdahn im Gespräch mit Rolando Villazon, Tenor
Wiederholung um 22.05 Uhr
Die Perspektive ist ein zentraler Aspekt in Villazóns zweitem Roman. Denn mit ihr spielt er. Im letzten Drittel wechselt über mehrere Kapitel hinweg der Erzähler: Die Geschehnisse einer U-Bahn-Fahrt werden nacheinander aus dem Blickwinkel eines Sicherheitsbeamten, eines alten Ehepaars, einer jungen Frau, eines Gamers, eines anonymen Internet-Trolls, einer Psychotherapie-Patientin und zweier Postbeamten erzählt. Natürlich bewertet jede dieser Figuren das Erlebte anders. Und dann gibt es noch ein Gerangel zwischen Erzähler und Figuren um die Autorenschaft des Romans.
Selbst wenn wir Figuren wären und den Autor zur Aufgabe zwängen, was gewännen wir damit?
"Lebenskünstler" von Rolando Villazón ist wie eine Mischung aus dem Film "Die Fabelhafte Welt der Amélie" und einem Wimmelbuch voll von Dingen, Menschen, Szenerien. Immer wieder wird etwas Neues entdeckt. Große, wenn auch zaghafte Liebe und ein bisschen Krimi sind auch mit dabei. Villazón gibt sich als Beobachter der kleinen Dinge - und als Skeptiker der modernen Welt.
Literaturhaus
Salvatorplatz 1
80333 München
Freitag, 28.04.2017, 20.00 Uhr, Saal
"Lebenskünstler"
Lesung mit Rolando Villazón
Mehrfach trampeln stupide Smartphone- oder Tabletnutzer durch seine Bilder. Was ihnen alles entgeht, das möchte der Autor seinem Leser zeigen. "Lebenskünstler" ist ein Lob der Achtsamkeit, der Diversität und der Freundschaft. Und auch wenn Villazón wieder gelegentlich dem Kitsch verfällt, was er übrigens gleichzeitig im Roman reflektiert, so macht es doch Freude, sich auf seine Welt der Schrägen und Einsamen, Verliebten und Verrückten einzulassen.
Von Rolando Villazón
Hardcover, 384 Seiten
ISBN: 978-3-498-07067-0
Preis: € 19,95
erschienen beim Rowohlt Verlag
Sendungsthema aus "Piazza" am 22. April 2017, 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK