Zwei führende Streichquartette tun sich zusammen und spielen gemeinsam Oktette von zwei frühreifen Komponisten: George Enescu war neunzehn, als er im Jahr 1900 sein Oktett komponierte, Mendelssohn erst sechzehn beim Niederschreiben seines Opus. Eine aktuelle CD präsentiert jetzt beide Jugendwerke in einer Neuaufnahme mit dem finnischen Streichquartett Meta4 und dem in der Schweiz beheimateten Gringolts Quartet.
Bildquelle: BIS
Die CD-Empfehlung zum Anhören
Dass vier und vier acht ergibt, haben wir alle spätestens in der Grundschule gelernt. Dass vier und vier aber auch eins sein kann – zumindest musikalisch – das beweist die phänomenale Neueinspielung der Oktette von Felix Mendelssohn Bartholdy und George Enescu mit dem Streichquartett meta4 und dem Gringolts Quartet, zwei führenden Ensembles, die hier nicht als Konkurrenten wetteifern, sondern sich als Kammermusikfans verbünden und als ein Klangkörper musizieren.
Felix Mendelssohn hat in seinem Oktett alle acht Streicherstimmen kunstvoll ineinander verflochten. Die Instrumente sollen "im Stile eines symphonischen Orchesterwerks gespielt", Piano und Forte "genau eingehalten und schärfer betont werden als gewöhnlich in Werken dieses Charakters" – das notiert der Komponist selbst im Vorwort der Einzelstimmen. Diesen Anweisungen folgen das Gringolts Quartet und Meta4 mit ihrer Interpretation nicht nur gewissenhaft, sondern auch mit unglaublich packender Energie. So kommt einem diese Musik eines erst 16-Jährigen beschwingt, direkt und übermütig entgegen. Und es ist unüberhörbar: Diese acht Streicher lieben das Stück, so heikel es im Zusammenspiel auch sein mag.
Dieses Album wird lieben, wer …
… Kammermusik liebt oder bisher nicht lieben lernen konnte.
Dieses Album lohnt sich, weil …
… man mit den Oktetten von Mendelssohn und Enescu Bekanntes und weniger Bekanntes in aufregendem neuen Licht hören kann.
Dieses Album lädt ein …
… zum dauerhaften Wiederhören, also Dauerschleife.
Faszinierend und herausfordernd für die Musiker ist auch das weniger bekannte Oktett von George Enescu. Wie Mendelssohn war der rumänische Komponist außergewöhnlich vielseitig begabt. Enescu zählt zu den wichtigsten Geigern des 20. Jahrhunderts, prägte als Lehrer Interpreten wie Yehudi Menuhin oder Ida Haendel, spielte sehr gut Klavier und dirigierte. Beim Studium in Wien und Paris bekam er deutsche Spätromantik genauso vermittelt wie französisch impressionistische Farben. 1900, gerade mal 19-jährig, schreibt er sein Oktett und vereinigt in diesem Stück zugleich Fin de siècle-Atmosphäre und den Blick in die Zukunft. Ausschweifend über vier nahtlos ineinander übergehende Sätze entfaltet sich intensive und hier wunderbar farbig gespielte Musik.
Wie großartig und vielschichtig Enescus Oktett gesetzt ist und zum Klingen gebracht werden kann, zeigt diese Neuaufnahme vom Gringolts Quartet und meta4. Die acht Instrumentalisten scheinen die Musik gemeinsam zu atmen, gestalten die Phrasierungen synchron, spielen ohne nachlassende Energie und mit großem Ausdrucksbedürfnis. So strahlen beide Oktette von Mendelssohn und Enescu in neuem und aufregendem Licht. Kammermusikfans können dieses Album in Dauerschleife hören. Hörer, die vor allem Enescus Musik noch nicht kennengelernt haben, entdecken inspirierend Neues und werden Mühe haben, beim Hören bis acht zu zählen, weil alles wie aus einem Guss klingt. Eine Sternstunde!
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Streichoktett Es-Dur, op. 20
George Enescu:
Streichoktett C-Dur, op. 7
Meta4
Gringolts Quartet
Label: BIS
Sendung: "Piazza" am 11. April 2020, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)