"Universalität ist wichtig", meint Alexander Melnikov. Der russische Pianist hat sich auf den internationalen Podien einen Namen mit breitem Repertoire erspielt, konzertiert regelmäßig und gerne als Kammermusiker, interpretiert Stücke von der Barockzeit bis heute und setzt sich auch mit historischen Tasteninstrumenten auseinander. Vor zwei Jahren hat Melnikov sein erstes Album mit Klaviersonaten von Sergej Prokofjew vorgelegt. Nun ist die zweite CD im Rahmen der geplanten Gesamteinspielung erschienen.
Bildquelle: Harmonia Mundi
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Gegensätze ziehen sich an, auch und vor allem in Sergej Prokofjews Klaviermusik: Wütend und besessen, dann wieder zärtlich und humorvoll klingen seine Sonaten. Neun hat Prokofjew geschrieben. Ihr Entstehungszeitraum erstreckt sich über sein gesamtes Leben. Prokofjew selbst war ein hervorragender Pianist. Er spielte vorzugsweise seine eigenen Werke, die Virtuosen bis heute zum Schwitzen bringen. Dass seine Klaviersonaten jedoch neben virtuosen Akkordballungen ein unglaublich großes Ausdrucksspektrum und auch ganz feine Klangnuancen und Farbschattierungen in sich tragen, zeigt Alexander Melnikov.
Dieses Album wird lieben, wer ...
... hören möchte, wie sich Gegensätze anziehen können.
Dieses Album muss man haben, weil ...
... Prokofjews Klaviermusik selten so packend und zugleich feinsinnig gespielt wird.
Dieses Album führt bei Überdosis zu ...
... Prokofjew-Ohrwürmern – die gibt es tatsächlich!
Der 46-jährige russische Pianist hat sich für die zweite CD seiner Gesamteinspielung erneut dafür entschieden, mit der Zusammenstellung in die drei unterschiedlichen Schaffensperioden Prokofjews einzutauchen. So liegen jetzt die selten gespielte und vergleichsweise introvertierte 4. Sonate vor, die Prokofjew 1918 nach jahrelanger Arbeit selbst zur Uraufführung brachte, und die Sonaten Nr.7 und 9. Damit spannt Melnikov den Bogen bis zum Spätwerk und zu seinem Landsmann und berühmten Prokofjew-Interpreten Swjatoslaw Richter. Denn Richter ist die 9. und letzte Sonate gewidmet. Und er war es auch, der die 7. Sonate – eine der drei sogenannten "Kriegssonaten" – 1943 uraufgeführt hat. Für Melnikov, der in seiner Heimatstadt Moskau Klavier studierte, gehören wiederum die Begegnungen mit Richter zu seinen musikalisch prägendsten Erlebnissen. Wie auch immer Melnikov mit dem Prokofjew-Zeitgenossen Richter im Austausch war: Das Dreieck Prokofjew – Richter – Melnikov mag im besten Sinne Spuren in dieser kongenialen Einspielung hinterlassen haben.
Poetische Linien stellt Alexander Melnikov in der 4. Sonate heraus, bringt immer wieder pastellfarben assoziierte Klänge wunderbar zum Leuchten, schlicht, uneitel und immer mit dem Blick auf die dreisätzige Gesamtanlage. Wie präzise Melnikov Partikel in größere formale Sinnzusammenhänge stellt, hört man auch überzeugend in der oft auf harte und brutale Gesten reduzierten Sonate Nr. 7, etwa wenn in einer Episode ein sich obsessiv wiederholender Halbtonwechsel durchexerziert wird und dann wieder das Anfangsthema einsetzt.
So bleibt angesichts der nun vorliegenden zwei außergewöhnlichen Prokofjew-Alben die Vorfreude auf Melnikovs noch ausstehende letzte CD mit den Sonaten Nr.1, 3 und 5. Und es bleibt der Respekt, wie virtuos und unglaublich wandlungsfähig dieser Pianist ist.
Sergej Prokofjew:
Klaviersonate Nr. 4 c-moll op. 29
Klaviersonate Nr. 7 B-Dur op. 83
Klaviersonate Nr. 9 C-Dur op. 103
Alexander Melnikov (Klavier)
Label: Harmonia Mundi
Sendung: "Piazza" am 9. November 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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