Der französische Pianist David Fray, Jahrgang 1981, wurde 2006 zu einer Art Shooting Star, als er spontan für Hélène Grimaud in Paris und Brüssel einsprang. Und er gilt als einer der unabhängigsten Klaviergeister der Szene. Jetzt hat sich David Fray, der übrigens der Schwiegersohn von Riccardo Muti ist, Bachs "Goldberg-Variationen" vorgenommen.
Bildquelle: Warner Classics
Der CD-Tipp zum Anhören
Mit 40 Jahren darf man sich schon mal an eine solche Veröffentlichung wagen. Der Kanadier Glenn Gould beispielsweise war damit fast 10 Jahre früher dran. Und mit ihm wird David Fray immer wieder gerne verglichen. Dabei wird schon in den ersten Takten der "Aria" deutlich, dass Fray ein gänzlich anderer Pianisten-Typus ist: einer von der philosophischen Sorte und einer, der sein Instrument streichelt, harmonische Wendungen auskostet und die üblichen schnellen Tempi gerne unterläuft.
David Fray hat für sein Goldberg-Exerzitium einen Kirchenraum gewählt – keine Studioakustik. So als wolle er dem Thomaskantor Bach Tribut zollen oder dem Ganzen den mystischen Widerhall von Geschichte verleihen. Das bringt im klanglichen Resultat eine gelegentliche Schärfe mit sich, die seiner behutsamen Anschlagskultur eigentlich zuwiderläuft. Denn eines von Frays großen Vorbildern ist der deutsche Pianist Wilhelm Kempff mit seiner legendären sanglichen Zartheit.
Dieses Album wird lieben, wer …
… die Möglichkeiten des modernen Flügels der Terrassen-Dynamik des Cembalos vorzieht.
Dieses Album lohnt sich, weil …
… vielfach Gehörtes bei David Fray frische gestalterische Impulse erfährt.
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… Fray zu den Pianisten zählt, die auf dem Klavier singen können.
Was also könnte es sein, das Fray für viele zu einem der aufregendsten Bach-Interpreten seiner Generation macht? Zum einen sicherlich die gänzlich unverkrampfte Herangehensweise an ein solches Werk; ja eine geradezu trotzige Missachtung von Konventionen, sei es hinsichtlich der Dynamik oder – fast noch auffälliger – der Tempi.
Die Klarheit der Linienführung und der bewusste Verzicht auf jede Art von Tempo-Akrobatik stehen bei diesen "Goldberg-Variationen" eindeutig im Zentrum. Und am gelungensten sind vielleicht die Momente, in denen Fray seinen Bach von der erzählerisch-intimen Seite zeigt.
Johann Sebastian Bach:
Goldberg-Variationen BWV 988
David Fray (Klavier)
Label: Erato / Warner
Sendung: "Piazza" am 11. Dezember 2021 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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