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Album der Woche – Alina Ibragimova spielt Johannes Brahms: Violinsonaten

Am liebsten spielt sie immer mit denselben Menschen zusammen, sagt Alina Ibragimova, denn die kennen sie am besten und könnten sie am besten unterrichten. Damit meint die russische Geigerin unter anderem ihren langjährigen Klavier- und Duopartner Cédric Tiberghien, mit dem sie Konzert für Konzert und CD für CD durch die Kammermusikwelt wandert. Dieses Mal ist das Duo Ibragimova/Tiberghien bei den Violinsonaten von Johannes Brahms gelandet. Drei davon gibt es, und für alle drei finden die beiden überzeugende Lesarten.

Bildquelle: Hyperion

Die Rezension zum Anhören

Wenn ihr die Hektik der Millionenmetropole London zu groß wird, dann zieht sich Alina Ibragimova gern zurück. Dahin, woher sie kommt. Nach Russland, aufs Land, wo ihre Großeltern noch immer wohnen, und wo sie das einfache Leben findet. Wo nur die Herzlichkeit untereinander zählt: "Man macht sich Gedanken, wenn man zu einem einfachen Lebensstil zurückkehrt – an einen Ort, an dem die menschlichen Werte das Einzige sind, was zählt." So begründet die Violin-Virtuosin ihre regelmäßigen kleinen Fluchten.

Zum Kern vordringen

Natürlichkeit und Echtheit zeichnen auch ihr Geigenspiel aus. Es geht Alina Ibragimova nicht um Brillanz und Schönheit, um technische Meisterschaft oder ums Gefallen wollen. Es geht ihr darum, zum Kern vorzudringen, das Wesen der Musik zu ergründen, die sie spielt. Herbheit, Archaik, Wildheit findet sie beispielsweise in der Dritten Violinsonate d-Moll von Johannes Brahms. Mit gigantischer Energie und zwingender Entschlossenheit spielt die Russin diese Musik. Die Eindringlichkeit, mit der sie gemeinsam mit ihrem Klavierpartner Cédric Tiberghien agiert, wirft einen fast vom Hocker. Bläst einen förmlich weg. Erstmal richtig schütteln und wieder gerade aufrichten, nach diesen Klangstürmen …

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer …
… ungeschminkte Echtheit lieber mag als harmlose Schönheit.

Dieses Album hört man am besten …
… mit viel Muße und ungestört.

Dieses Album hat gefehlt, weil …
… Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien zugleich sehr innig und wild und ruppig sein können – eine fulminante Mischung!

Konzentration auf das, was zwischen den Noten steht

"Ich höre mir keine Interpretationen von anderen Geigern an, wenn ich ein Stück lerne, damit es mich nicht irgendwie beeinflusst", erläutert Ibragimova ihre Arbeitsweise. Wenn sie versucht zu ergründen, was zwischen den Noten steht und steckt, auch in den drei Brahms'schen Violinsonaten, dann hilft Alina Ibragimova die Konzentration auf sich und das bewährte Zusammenspielt mit dem französischen Pianisten Cédric Tiberghien. Gemeinsam haben die beiden bereits einiges an Kammermusikrepertoire abgeschritten, bei den Brahms-Sonaten spürt man diese innige Verbundenheit.

Kammermusik im eigentlichen Sinn

Alina Ibragimova | Bildquelle: © Eva Vermandel Alina Ibragimova | Bildquelle: © Eva Vermandel Denn anders als die Dritte Sonate sind die beiden ersten Sonaten in G-Dur und A-Dur zwei zumeist sehr in sich gekehrte, zurückgenommene, intime Stücke. Musik, die man sich gar nicht so gut im großen Konzertsaal vorstellen kann, eher im Nebenzimmer. Bei der man fast das Gefühl hat, beim Zuhören nicht stören zu dürfen. 1879 komponierte Johannes Brahms seine Erste Violinsonate – nach langem Zögern, für ihn nicht untypisch. Anlass waren Krankheit und Tod seines Neffen Felix Schumann. Dessen Mutter Clara schreibt er: "Wenn Du Umstehendes recht langsam spielst, sagt es Dir vielleicht deutlicher als ich es sonst könnte, wie herzlich ich an Dich und Felix denke. Es wäre mir eine gar große Freude, wenn ich Felix ein kleines Andenken schaffen könnte."

Intimität, Schroffheit und zauberhafte Direktheit

Uraufgeführt wurden die Brahms-Violinsonaten von den damaligen Spitzengeigern Joseph Hellmesberger und Jenö Hubay. Geigerisch und auch im Klavierpart fordern sie bei aller Unterschiedlichkeit im Charakter alles, was auf den beiden Instrumenten spielbar ist. Nur: Zur Schau stellen darf man das als Musiker nicht. Denn sonst sind sie dahin: die Intimität, die Schroffheit und die zauberhafte Direktheit, mit der die Töne einen treffen. Perfekte Musik für Alina Ibragimova, die um all das weiß, im hektischen London und in der russischen Einsamkeit.

Alina Ibragimova spielt Brahms

Johannes Brahms
Die drei Violinsonaten:
Sonate Nr. 1 G-Dur, op. 78
Sonate Nr. 2 A-Dur, op. 100
Sonate Nr. 3 d-Moll, op. 108

Alina Ibragimova (Violine)
Cédric Tiberghien (Klavier)

Label: Hyperion

Sendung: "Piazza" am 31. August 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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