Die Wiener Philharmoniker haben den Großteil von Anton Bruckners Symphonien uraufgeführt. Die Wiener Premiere seiner Dritten wurde zum Desaster, die Uraufführung der Achten Symphonie hingegen ein Triumph. Der wiederholte sich vor gut einem Jahr, als Christian Thielemann das monumentale Werk bei den Wiener Philharmonikern dirigierte.
Bildquelle: Sony Classical
Wie ein lauerndes Monster, das aus dem Hinterhalt zuschlägt – so furchterregend wirkt der Anfang von Anton Bruckners Achter Symphonie. Christian Thielemann aber federt Bruckners Klang-Ungetüme weich und rund ab. Mit ihrem warmen Streicherton und ihrem klangschönen Blech sind die Wiener Philharmoniker ideale Partner für ihn. Das trotzig aufstampfende Scherzo nimmt Thielemann betont burschikos.
Das breite Dynamikspektrum von Thielemanns Bruckner-Interpretation haben die Tonmeister dieser Aufnahme perfekt abgebildet. Gewaltigen Klangeruptionen stehen wunderbar lyrische Momente gegenüber: Im poetischen Trio des Scherzos stimmt die Soloflöte zart in die engelsgleichen Harfenklänge ein.
Für Bruckners längste und anspruchsvollste Symphonie braucht man einen langen Atem – der Bruckner-Profi Christian Thielemann hat ihn. Vor allem im schmerzlich schönen Adagio ist Weitblick gefragt. Schlicht und innig, ohne falsches Pathos stellt Thielemann die Größe und Erhabenheit dieser Musik heraus.
Dieses Album muss man haben, weil ...
… Bruckners Klangwelt in zermürbender Zeit zum Innehalten einlädt und nach langer Wegstrecke Licht am Ende des Tunnels verspricht.
Dieses Album lohnt sich, weil …
… der Bruckner-Profi Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker mit ihrer großen Bruckner-Tradition ein ideales Team für die Achte Symphonie sind.
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… dem Dirigenten mit dem weichen, runden Wiener Klang eine Bruckner-Interpretation wie aus einem Guss gelingt.
Wie von Bruckner gewünscht, schleppt Thielemann nie, sondern denkt immer nach vorne. Organisch dehnt und staucht er den musikalischen Fluss. Die großen Steigerungswellen zu den majestätischen Höhepunkten legt er meisterhaft an, verschießt sein Pulver nicht vor der Zeit. So rollen die Klangkaskaden im bedrohlichen Finale machtvoll an.
Das Schöne an dieser exemplarischen Bruckner-Interpretation: Thielemann verzichtet auf stahlgehärtete Kraftmeierei, verliert sich aber auch nicht in blutleerer Zergliederung der Partitur. Präzise durchgearbeitet ist dennoch alles. Thielemann ist eben nicht nur ein Bruckner-Kenner, sondern auch ein Bruckner-Könner.
Anton Bruckner:
Symphonie Nr. 8 c-Moll
Wiener Philharmoniker
Leitung: Christian Thielemann
Live-Mitschnitt von 2019
Label: Sony
Sendung: "Piazza" am 7. November 2020, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK