Carmen, Cherubino und Cenerentola; Mozart, Massenet und Piazzolla – Elina Garanča liebt Vielfalt und Kontraste. Insofern passt es ins Bild, dass sie ausgerechnet jetzt, da sie sich auf gewichtige Opernrollendebüts wie Verdis Amneris oder Wagners Kundry vorbereitet, ihr erstes Lied-Album vorlegt. Dass sie "immer noch flüstern" kann, will sie damit beweisen, dass die große Bühne sie also keineswegs abgestumpft hat für intime Stimmungen und zarte Ausdrucksnuancen. Der perfekte Partner hierfür ist der schottische Pianist Malcolm Martineau, mit dem Garanča schon seit einigen Jahren Recitals gibt.
Bildquelle: Deutsche Grammophon
Der CD-Tipp zum Anhören
Mal hell strahlend, mal dunkel glühend – immer mit samtigem Timbre, perfektem Übergang zwischen den Registern, großer Legato-Kultur und einem betörenden Farbspektrum. Eine üppige Opernstimme muss den intimen Rahmen des Liedes nicht sprengen – zumindest, wenn sie so souverän geführt wird wie von Elīna Garanča. Die Verse blühen nur so auf in ihrer klugen Klanggestaltung. Unangebrachtes Bühnenpathos lässt sie beiseite, doch interpretiert sie unmittelbar, zupackend und natürlich, fern von jeder deutschen Kunstlied-Manieriertheit.
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… es Elīna Garančas gelungenes Lied-Debüt ist!
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… Elīna Garančas Mezzosopran so unwiderstehlich ist wie dunkler Karamell.
Dieses Album wird lieben, wer …
… das romantische Kunstlied nicht als verkopftes Lehrstück betrachtet.
Für ihr erstes Solo-Recital-Album spannte Elīna Garanča eine Auswahl von Brahms-Liedern aus verschiedenen Schaffensperioden zusammen mit Robert Schumanns "Frauenliebe und Leben" op. 42. Der neunteilige Zyklus stammt aus Schumanns "Liederjahr" 1840, als die ersehnte Hochzeit mit Clara ihn in einen wahren Schaffensrausch versetzte. Die Gedichte von Adalbert von Chamisso beschreiben die Gefühlsweilt einer Frau als Verliebte, Braut, Mutter und schließlich Witwe. Dass die den Liedern zugrundeliegende weibliche Selbstaufgabe "als niedere Magd" des Mannes nicht mehr zeitgemäß sei, wurde verschiedentlich kritisiert. Zu Unrecht, wie Elīna Garanča findet, denn hier gehe es nicht um Kochlöffel oder Bügeleisen, sondern um eine geistige Dimension:
"Es geht um ein intimes Zusammensein, wo man sagt: Ich und mein Mann, wir gehören so zusammen, dass all diese Kraftgetriebe über die Position, um Geld, Emanzipation, das alles fällt weg. Ich habe in meinem erfolgreichen Leben kein Problem zu sagen: Ich will aber jemandem gehören. Und ich verliere mich nicht." Das sagt die Sängerin zu Robert Schumanns Opus 42.
Dass Elina Garanča sich diese Lieder zwischen jugendlichem Überschwang und fassungslosem Weltabschied ganz zu eigen gemacht hat, spürt man in jedem Moment. Und dass sie bereits seit einiger Zeit Liederabende mit Malcolm Martineau am Flügel gibt, ist auch unüberhörbar. Die beiden fühlen und atmen förmlich zusammen, kosten kleinste Klang- und Tempoveränderungen aus. Es entsteht eine unglaublich dichte Atmosphäre, die auch aus den Pausen und Klaviernachspielen spricht. Bescheiden meint Elina Garanča, sie als Nicht-Muttersprachlerin könne zum klassischen deutschen Liedrepertoire lediglich ihr persönliches Statement aus der Außenperspektive geben. Doch das ist sehr überzeugend und erfrischend!
Robert Schumann:
Frauenliebe & Leben op. 42
Johannes Brahms:
Liebestreu; Heimweh II; Mädchenlied; Liebe & Frühling II; Verzagen; Sapphische Ode; O liebliche Wangen; Wir wandelten; Alte Liebe; Die Mainacht; Von ewiger Liebe
Elīna Garanča (Mezzosopran)
Malcolm Martineau (Klavier)
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Piazza" am 21. November 2020 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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