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Album der Woche – Ensemble Raro spielt Enescu Werke für Kammerensemble

Seinen Namen hat das Ensemble Raro bei Robert Schumann ausgeliehen. Meister Raro ist einer der geheimnisumwobenen Davidsbündler. Für Meister Raro darf die Entwicklung der Musik nie stehenbleiben, weshalb er gerne nach neuen Pfaden sucht. Und auf denen ist seit 2004 auch das Kammermusikensemble Raro unterwegs, mit Programmen, die unterschiedliche Künste, Epochen und Genres zusammenführen. Entsprechend spannend und entlegen ist die Diskographie des Ensembles: Wenig bekannte Namen tauchen da regelmäßig auf. Dem rumänischen Komponisten Georges Enescu hat das Ensemble seine jüngste CD gewidmet.

Bildquelle: Solo Musica

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Wer auch immer von dem Rumänen Georges Enescu erzählt hat, alle verklärten sie ihn fast ins Mythische: Pablo Casals hielt Enescu für das größte musikalische Phänomen seit Mozart, Yehudi Menuhin sah in ihm den außergewöhnlichsten Menschen und bedeutendsten Musiker, den er erlebt habe. Wenn nur die Hälfte stimmt, dann muss Ensecu extrem faszinierend und faszinierend vielseitig gewesen sein: ein sehr guter Dirigent, ein exzellenter, vom großen Alfred Cortot bewunderter Pianist und ein fantastischer Geiger. Sein Ton soll unvergleichlich, schwer fassbar traurig und anrührend gewesen sein. Eine phänomenal rasche Auffassungsgabe und ein ebensolches Gedächtnis kamen hinzu. Enescu dirigierte Bartoks Konzert für Orchester vom Blatt, ohne sich auch nur einmal zu verschlagen, spielte Ravels Violinsonate vom Blatt und im zweiten Durchlauf auswendig.

Schillern zwischen Deutschland und Bessarabien

Ein großer Komponist war Enescu nebenbei auch noch. Seine Musik schillert zwischen deutscher Spätromantik, französischem Impressionismus und den Klängen und Rhythmen der moldawisch bessarabischen Volksmusik, der Musik seiner Heimat. Vor allem kann sie süchtig machen. Enescu war ein Wanderer zwischen den Welten, verschmolz unterschiedlichste Eindrücke zu einem unverwechselbar schönen, eigenen Stil. Unterschätzt wird er immer noch. Von daher ist jedes Album, das seiner Musik gewidmet ist, zu begrüßen, und wenn so exzellent musiziert wird, wie jetzt vom Ensemble Raro und dem Geiger Gilles Apap, dann erst recht.

Aufbruchssignal eines Wunderkindes

Bestimmt hat Enescu Bedeutenderes hinterlassen als das frühe Klavierquintett in D-Dur, das das Ensemble Raro jetzt vorlegt. Enescu war fünfzehn, als er es 1896 schrieb, ein halbes Kind. Dafür allerdings ist es ein Wurf. In vielem noch der Romantik verpflichtet, weniger charakteristisch als sein späteres wunderbares Klavierquintett op.29, ist es doch unmissverständlich das Aufbruchssignal eines Wunderkindes. Erstaunlich, zu welcher Reife und welchem Tiefgang da ein 15-jähriger im Andante findet. Mancher hätte viel dafür gegeben, wäre ihm Ähnliches mit fünfzig eingefallen.

Eine zauberhafte Entdeckung

Die zauberhaften "Impressions d'enfance" sind ein Rückblick des fast sechzigjährigen Enescu auf einen Tag seiner Kindheit. Sei es die Begegnung mit einem Fiedler und einem Bettler, die Erinnerung an das Bächlein im Garten oder den kleinen Vogel im Käfig, das Wiegenlied der alten Kinderfrau, der Gesang des Windes im Kamin, der überschäumend klangsinnlich besungene Sonnenaufgang, all das musizieren Gilles Apap und Diana Ketler traumhaft schön. Dem Ensemble Raro sei Dank für diese zauberhafte Entdeckung – hoffentlich nicht die letzte in Sachen Georges Enescu.

Infos zur CD

Georges Enescu:
Klavierquintett D-Dur
Aubade
Serenade lointaine
Impressions d’enfance op. 28

Ensemble Raro
Gilles Apap (Violine)

Label: Solo Musica

Sendung: "Piazza" am 06. August 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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