40 Geschenke zum 40. Geburtstag. Das ist üppig. Das weltbekannte Ensemble Modern hat sich so beschenken lassen – mit 40 Stücken zum 40. Jahr seines Bestehens. Darunter Musik von Filmmusikkomponist Ennio Morricone und Avantgarde-Größen wie George Aperghis oder Helmut Lachenmann. Und in einem orange beklecksten Doppel-Album mit dem Titel "Beschenkt" auf dem eigenen Label veröffentlicht.
Bildquelle: Ensemble Modern Medien
Der CD-Tipp zum Anhören
Wie ein gelungenes Geburtstagsständchen klingt, darüber lässt sich an Omas Kaffeetisch nur bedingt streiten. Auf dem Doppelalbum des Ensemble Modern zumindest stehen diverse Varianten zur Debatte. Zwischen 40 Sekunden und vier Minuten, zwischen besinnlich und quietschig, je nachdem. Alles Weltersteinspielungen, und Ingo Metzmacher dirigiert. Zum Beispiel "Ein Weihnachtslied" von Peter Eötvös: Es meckert die Ziege, muht die Kuh, grunzt das Schwein. Auch eine Art Krippenspiel.
Das Motto, das den Komponistinnen und Komponisten an die Hand gegeben wurde, lautet: "Winter – Weihnachten – Zeremonie“. Hört man einigen Kompositionen an, wie diesem weihnachtsbimmeligen Stück "in X" von Johannes Schöllhorn. Und anderen so überhaupt nicht, wie HK Grubers "Tango Fragment".
Dieses Album wird lieben, wer …
… sich fragt, was die Avantgarde-Szene eigentlich gerade so treibt.
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… das Ensemble Modern in den 40 Miniaturen sein phänomenal weites Spektrum an Können und Klang präsentiert wie auf keiner anderen CD zuvor.
Dieses Album hört man am besten, wenn …
… man Lust hat, sich intensiv in Musik reinzuhören und das Radioprogramm kurz mal zu langweilig scheint.
Wer kümmert sich bei Ihnen in der Familie eigentlich um die Geschenke? Meine eigene kleine Statistik besagt: Es sind eher die Frauen, die sich Gedanken machen, wer welches Buch, welchen Wein, welches Spielzeug bekommt. Eine Beobachtung fernab jeder Repräsentativität, aber zumindest für meine persönliche Blase doch: sprechend. Beim Ensemble Modern: andere Welt. 40 Stücke hat sich das international besetzte Solistenensemble schreiben lassen. Darunter Weihnachtliches, wie George Benjamins "Stille Nacht". Und Stücke mit Karnevalsstampf, wie "Confetti" des Amerikaners Michael Gordon.
Jedenfalls: 40 Mal Konfetti. Ausgesucht wenige bunte Schnipsel von Frauen übrigens: Cathy Milliken, Brigitta Muntendorf, Olga Neuwirth und Chikage Imai. Vier von 40. Das spiegelt so ziemlich den Anteil von Frauen in der neuen Musik wider. So weit, so mager, so 10 Prozent. Und das ist diesmal keine gefühlte Zahl, sondern knochentrockene Statistik. Gar nicht trocken, aber laut und stampfend: "Daisy, Daisy“ der deutsch-österreichischen Komponistin Brigitta Muntendorf. Soundästhetisch völlig im Hier und Jetzt.
Nicht nur ein gutes Geschenk für die Liebsten, auch ein Geschenk für das basisdemokratisch arbeitende Frankfurter Ensemble, das seit jeher Auswege aus der Enge des Kanons gesucht und gefunden hat, das anarchisch und selbstbestimmt jedes Mitglied in den Stand der künstlerischen Leitung erhebt, das Dirigenten engagiert, sie aber nie zur Autorität macht, das unhierarchisch und kollektiv arbeitet, und bei dem jedes Mitglied persönlich haftet, ein gutes Geschenk für das vielleicht bekannteste und trotzdem immer wieder von der Insolvenz bedrohte Neue Musik-Ensemble der Welt. Hier spielen Leute, so hat es der Komponist Hans Zender einmal formuliert, um ihr Leben.
Ensemble Modern – "Beschenkt"
40 Miniaturen zum 40. Geburtstag des Ensembles
Werke von
Cathy Milliken, Brigitta Muntendorf, Olga Neuwirth, Chikage Imai, Samir Odeh-Tamimi, Heiner Goebbels, Martin Grütter, Pascal Dusapin, Salvatore Sciarrino
und anderen
Ensemble Modern
Leitung: Ingo Metzmacher
Label: Ensemble Modern Medien
Sendung: "Piazza" am 16. Januar 2021, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK