Frank Peter Zimmermann ist einer der großen Geiger der Gegenwart, sein breites Repertoire reicht von Johann Sebastian Bach bis hin zu diversen Uraufführungen. Zimmermanns Neugier scheint unstillbar. Von daher ist es wenig überraschend, wenn er sich auf seinem neuesten Album zwei Konzerten der klassischen Moderne widmet, die nur in ganz wenigen Aufnahmen vorliegen. Bei Musik, die seiner Meinung nach unbedingt gespielt werden sollte, kann Zimmermann ziemlich hartnäckig sein. So bei den Konzerten Bohuslav Martinůs, für die er sich unlängst mit den Bamberger Symphonikern zusammentat.
Bildquelle: BIS
Der CD-Tipp zum Anhören
Frank Peter Zimmermann spielt Martinů
Das zweite Violinkonzert des Tschechen Bohuslav Martinů ist eines der herrlichsten Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts, gefärbt von den für Martinu charakteristischen, völlig unverwechselbaren Harmonien, von einer Süße und zugleich einem rhythmisch markanten, motorischen Drive, die sich so kaum ein zweites Mal in der klassischen Moderne finden. Schwer verständlich, weshalb es von diesem so sinnlichen, zauberisch in geheimnisvolle Klangwelten entgleitenden Konzert kaum mehr als eine Handvoll Aufnahmen gibt – wie Martinůs Musik überhaupt ein nur schwer nachvollziehbares Schattendasein fristet.
Der Geiger Frank Peter Zimmermann liebt beide Violinkonzerte Martinůs, so unterschiedlich sie auch sind. Er betonte in einem Interview, dass Martinůs ganz eigene Musik sich jeder stilistischen Einordnung widersetze, weil sie so wandelbar sei: mal impressionistisch, mal expressiv, mal perkussiv, mal gesanglich und lyrisch. Genau das dürfte Zimmermann reizen, verlangt diese Wandelbarkeit doch jeder Interpretation allerhöchste Flexibilität ab. Wie atemberaubend souverän ihm dies gelingt, ist jeder einzelnen Phrase anzuhören. Gewidmet hat Zimmermann das Album übrigens dem Andenken seines lieben Freundes Mariss Jansons, mit dem er das Zweite Konzert seinerzeit in Amsterdam aufführte. Nun sind es die Bamberger Symphoniker und ihr tschechischer Chefdirigent Jakub Hrůša, die gemeinsam mit Zimmermann Martinůs Musik ungemein klangsinnlich, zugleich mit natürlicher Musikalität gestalten.
Dieses Album wird lieben, wer …
… selten gehörte, tolle Musik in einer fantastischen Interpretation kennenlernen möchte.
Dieses Album muss man haben, weil …
… es das Bild des großen Künstlers Frank Peter Zimmermann um eine wichtige Facette erweitert.
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… es viel zu wenige gute Aufnahmen der wunderbaren Violinkonzerte von Bohuslav Martinů gibt.
Dieses Album lädt dazu ein,
… sich endlich einmal intensiv mit einem viel zu wenig bekannten Komponisten zu beschäftigen.
In seiner Heimat ist Martinů neben Smetana, Dvořak und Janáček der vierte Säulenheilige einer nationalen Musik. Bei uns braucht es eben jemanden wie Frank Peter Zimmermann, der sich für Martinů stark macht – man muss ihm dankbar sein dafür. An Martinů selbst hat es kaum gelegen. Als er 1959 knapp siebzigjährig starb, hinterließ er Hunderte von Werken – Symphonien und Konzerte, Opern und Filmscores, Klavier- und Kammermusik. Ein echter Allrounder. Vielleicht führte auch dies dazu, dass ihn manche für einen elegant gefälligen Vielschreiber halten. Falscher kann man allerdings mit seinem Urteil nicht liegen.
Martinů studierte Debussy, die Barockmusik, den Jazz, die mährische Volksmusik und anderes mehr. Aus diesen so unterschiedlichen Einflüssen entwickelte er seine absolut individuelle Musik, von der Avantgarde beeinflusst, doch die Grenzen der Tonalität nur streifend. Wer sie ein paar Mal gehört hat, erkennt sie nach wenigen Takten. Wer sie öfter als ein paar Mal hört, wird sie lieben wie Frank Peter Zimmermann, der den beiden Konzerten als große Zugabe noch eine grandios musikantische Deutung von Béla Bartóks Solosonate hinzufügt. Ein wunderbares Album.
Bohuslav Martinů:
Violinkonzerte Nr. 1 & 2
Béla Bartók:
Sonate für Violine solo
Frank Peter Zimmermann (Violine)
Bamberger Symphoniker
Leitung: Jakub Hrůša
Label: BIS
Sendung: "Piazza" am 6. Februar 2021 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK