Der norwegische Jazz-Komponist Jon Balke, die algerische Sängerin Mona Boutchebak, das vielstimmige Musikkollektiv Siwan und acht Streicher der "Barokksolistene" werfen einen kreativen Blick gen Al-Andalus‘, also in die Zeit, als die iberische Halbinsel zwischen 711 und 1492 noch muslimisch beherrscht war. Im Zentrum steht die Annäherung an die persische Lyrik des 11. Jahrhunderts, gespielt von Musikern und Musikerinnen aus verschiedenen Kulturen in inspirierender Koexistenz.
Bildquelle: ECM
Musiker aus aller Welt: aus der Türkei Derya Turkan und seine persische Stachelgeige Kamantcheh, der iranische Tombak-Meister Pedram Khavar Zamini, ein drummer und die achtköpfige Streicher-Formation "Barokksolistene" aus Norwegen. Jazz-Komponist und Keyboarder Jon Balke hat diese Verbindungslinien zwischen Musikerinnen und Musikern aus der Türkei, Skandinavien und Algerien und ihren Instrumenten behutsam miteinander verknüpft. Die Musik lebt von dieser glücklichen, erstaunlich organischen und inspirierenden Ko-Existenz verschiedener Kulturen, uralter Musiktraditionen und neuer Kompositionen. Und ist ein beeindruckendes Modell des feinen, respektvollen Aufeinanderhörens in subtilen Dialogen.
Dieses Album ist ein Hörgenuss, ...
... weil rhythmischer Drive, subtile Instrumental-Dialoge und der sensible Gesang von Mona Boutchebak eine gute Mischung sind.
Dieses Album lohnt sich, ...
... denn die Musik ist wohltuend vielfältig: mit Instrumenten wie Kemence, Tombak und Streichern.
Dieses Album hat gefehlt, ...
... weil es den Horizont erweitert.
Über diesem dichten Netz der Kommunikationslinien schwebt der gefühlvolle Gesang von Mona Boutchebak auf persischen Versen. Etwa in "Mirada Furtiva", verfasst von Ibn Zaydun, der 1003 in die Cordoba geboren wurde. Mona Boutchebak hat auf dieses zarte Liebesgedicht voller Sehnsucht und Bescheidenheit eine elegante Ballade komponiert und begleitet sich selbst auf der Kwitra, der algerischen Oud-Laute. Und Jon Balke umkleidet dies mit sanft wispernden Klanglandschaften.
Zu Beginn der Kompositionen und Arrangements standen anfangs oft nur erste Gedichtzeilen, die Initialzündungen lieferten. Jon Balke und Mona Boutchebak tauschten sich über deren Inhalt aus, verglichen Texte und Übersetzungen miteinander, und langsam schälten sich hierzu dann Melodien und Klänge heraus. Wie hier in dem Gedicht "Enamorado de Júpiter" – "Verliebt in Jupiter", von Prinzessin Walla bint al Mustakfi, die 1091 hochbetagt in Cordoba starb. Sie wirft hier dem abtrünnigen Geliebten vor, seine Liebe nicht dem Besten zu schenken. Nicht ihr, dem vollen Mond am klaren Himmel, sondern ausgerechnet Jupiter, dem dunkelsten aller Planeten, gilt seine neue Liebe nun.
"Hafla" – "Fest" heißt dieses Album zwischen Jazz und Global Music, das die Begegnung mit Musikern aus aller Welt in vielen Facetten feiert: als behutsame Annäherung an die uralten Gedichte aus dem Al Andalus im 11. Jahrhundert, als Zusammentreffen der Klänge des Mittleren Ostens mit der Streicher-Tradition des Westens. Das Ergebnis ist ein einzigartiger Klangteppich: filigran und dicht, suggestiv und packend.
Hafla
Jon Balke, Mona Boutchebak, Derya Turkan, Pedram Khavar Zamini, Bjarte Eike, Helge Norbakken u. a.
Label: ECM
Sendung: "Piazza" am 28. Mai 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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