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Album der Woche – Raphaël Pichon und Pygmalion Motetten von J. S. Bach

2006 gründete der damals noch sehr junge französische Raphaël Pichon das Ensemble Pygmalion, einen Chor und ein Orchester, die sich der historisch informierten Aufführungspraxis verschrieben haben. In den knapp 15 Jahren seines Bestehens hat das Ensemble mit einigen klugen, manchmal auch spektakulären Projekten von sich Reden gemacht. So liebt es Pichon, historische Verbindungslinien von Bach zu Mendelssohn, von Schütz zu Brahms oder von Rameau über Gluck zu Berlioz aufzuzeigen. Das jüngste Album von Pygmalion ist den sechs Motetten von Johann Sebastian Bach gewidmet.

CD-Cover: Raphael Pichon dirigiert die Motetten von Joghann Sebastian Bach | Bildquelle: Harmonia Mundi

Bildquelle: Harmonia Mundi

Lange her, dass ich sie als Chorknabe im Aachener Dom selbst gesungen habe, die Motetten von Johann Sebastian Bach. Und so wie das fantastische französische Ensemble Pygmalion unter seinem Gründer und Leiter Raphaël Pichon diese sechs Juwelen der Chormusik jetzt auf CD gebannt hat, so haben wir sie damals ganz sicher nicht gesungen. So habe ich diese Musik auch noch nie gehört. 

Mit unverschämt müheloser Virtuosität

Diese fast schon unverschämt mühelose Virtuosität und Perfektion, diese Schwerelosigkeit, dieses unglaublich homogene Verschmelzen von 28 Stimmen! Und dann wieder diese berührende Schlichtheit und Innigkeit oder wahlweise auch tief empfundene Expressivität. Was Raphaël Pichon mit den 13 Musikerinnen und 15 Musikern seines Ensembles Pygmalion da veranstaltet, ist ein Fest des Gesangs. Und ein treffenderes Foto hätte man für das Cover dieses unfassbar schönen Albums nicht finden können als die dort abgebildete, rauschhaft wirbelnde Balletttruppe in ihren weißen Gewändern. Johann Sebastian Bach, geboren aus dem Geist des Tanzes, zugleich von einem selten zu erlebenden spirituellen Tiefgang.

Kurz und bündig

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil ...
... es aberwitzige Virtuosität und tiefe Spiritualität nahtlos verbindet.

Dieses Album hört man am besten ...
... bei richtig schlechter Laune. Die verfliegt nach spätestens zehn Minuten.

Dieses Album führt bei Überdosis ...
... zu unkontrolliertem Freudentaumel.

Unerschöpfliche Quelle des Jubels

"Sechs Motetten, eine unerschöpfliche Quelle des Jubels, ein Geschenk für Leib und Seele", schreibt Raphaël Pichon am Schluss seines sehr persönlichen, dabei ebenso lesenswerten wie gut lesbaren Booklet-Textes. Und Recht har er, ganz sicher, was seine Deutung dieser vielleicht auf ewig unerreichten Chorwerke angeht. Dieses Album ist aufgenommen für alle, die Musik mit offenem Herzen hören, vor allem aber ein Wunderheilmittel gegen schlechte Laune. Wer es hört, von dem fällt zuverlässig alle Last ab, die das Leben so bereithalten mag. 

Pichon und seine Truppe streuen zwischen die sechs Bach-Motetten noch drei wunderbare lateinische Motetten aus dem 16. Jahrhundert, die sie der großen Motetten-Sammlung Florilegium portense entnommen haben. Johann Sebastian Bach hat sie gekannt. Auch er stand auf den Schultern großer Vorgänger. Aber keiner hat sich auf diesen Schultern so riesenhaft erhoben wie er. Raphaël Pichon und Pygmalion rufen das tief emotional, zugleich mit beneidenswerter Leichtigkeit in Erinnerung.

Raphaël Pichon und Pygmalion singen Bach

Johann Sebastian Bach: Motetten

Pygmalion
Leitung: Raphaël Pichon

Label: Harmonia mundi 

Sendung: "Piazza" am 26. September 2020, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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