Diese Frau singt nicht nur virtuos und ausdrucksstark, sie hat auch etwas zu sagen: Die amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato ist ein Megastar der Opernwelt, aber ihr Sendungsbewusstsein geht weit über die perfekte Koloratur hinaus: Zentral ist immer ihr persönliches Engagement. Als "kämpferische Optimistin" gibt DiDonato die Hoffnung nicht auf, die Welt durch Musik ein kleines Stück besser machen zu können. Oder eben "grüner" – diese Absicht steht hinter ihrem neuen Album "Eden": 16 Stücke aus dem paradiesischen Ur-Garten, ein musikalischer Hochgenuss mit aufrüttelnder Botschaft.
Bildquelle: Erato
Der CD-Tipp zum Anhören
"The unanswered Question" – hier ist es Joyce DiDonato, die in Charles Ives' rätselhaftem Orchesterstück wortlos Fragen in den Raum stellt: Haben wir noch ein Bewusstsein für unsere Welt? Gibt es noch eine Umkehr auf dem Weg der Zerstörung und kann jeder Einzelne dazu beitragen? Wie sehr der Mensch schon immer Trost und Inspiration aus der Natur bezogen hat, Naturphänomene in seinen Gefühlen spiegelte und seine Existenz als Teil eines großen Ganzen empfand, das zeigt das Album "Eden" mit Kompositionen aus fünf Jahrhunderten.
Ein Sternenhimmel, ein Sonnenaufgang, ein schattiger Wald, die erste Frühlingsblume, der Duft eines Lindenzweigs – Staunen angesichts solcher alltäglicher Wunder der Natur ist der rote Themenfaden durch die Lieder und Arien von Händel bis Mahler, von Cavalli bis Wagner. Stilistisch ist diese kontrastreiche Zusammenstellung eine echte Herausforderung, die nicht nur von Joyce DiDonato gewohnt virtuos gemeistert wird, sondern auch von Dirigent Maxim Emelyanychev und seinem Orchester Il pomo d'Oro. Das eigentlich barockzentrierte Originalklangensemble legt eine überragende Klangsensibilität und geradezu chamäleonhafte Vielseitigkeit an den Tag.
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… es menschliche Naturempfindung virtuos, facettenreich und berührend zum Klingen bringt. Ein Garten Eden für die Ohren!
Dieses Album muss haben, wer …
… schon Joyce DiDonato-Fan ist oder es noch werden möchte!
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… es durch Musik Fragen stellt, die uns alle beschäftigen. Ein künstlerisches "Quo vadis?" zur Umweltsituation.
Dieses Album hört man am besten …
… auf einem Balkon voller Frühlingsblumen.
"Eden" ist übrigens nicht nur ein hinreißend musiziertes Konzeptalbum, sondern ein weltweit mit Künstlern, Pädagogen und Umweltorganisationen vernetztes Projekt: Die Anfang März startende Welttournee mit 45 Stationen auf fünf Kontinenten wird vor Ort jeweils durch Education-Programme und Workshops zum Thema "Musik und Natur" begleitet werden. Die Idee ist, dass angesichts von Umweltzerstörung und Klimawandel nicht nur CO2-Bilanz und Recyclingquoten entscheidend sind, sondern die Erinnerung an unser Verwurzeltsein in diesem mittlerweile arg lädierten Garten Eden.
Und bei diesem Umdenken oder besser "Umfühlen" – davon ist Joyce DiDonato überzeugt – kann Musik wirklich eine entscheidende Rolle spielen. So wie das eigens für "Eden" geschriebene Stück der Oscar-prämierten britischen Filmkomponistin Rachel Portman – eine zauberhafte Evokation des ersten Morgens unserer Welt. Übrigens wird bei der Tournee jeder Konzertbesucher einen Pflanzensamen erhalten. Denn welche Saat wir heute säen wollen, diese Frage muss sich jeder selbst beantworten...
Joyce DiDonato – "Eden"
Werke von Charles Ives, Gutav Mahler, Natalie Portman, Josef Mysliveček, Aaron Copland, Francesco Cavalli, Richard Wagner, Georg Friedrich Händel, Biagio Marini u.a.
Joyce DiDonato (Mezzosopran)
Il Pomo d'Oro
Leitung: Maxim Emelyanychev
Label: Erato
Sendung: "Piazza" am 19. März 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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