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Album der Woche – Frank Dupree spielt Kapustin Klavierkonzert Nr. 4, Doppelkonzert, Kammersymphonie

1937 kam in der damals Ukrainischen Sowjetrepublik Nikolai Kapustin zur Welt, der sich in der Sowjetunion einen Namen als exzellenter Jazz-Pianist, Arrangeur und Komponist machen sollte. Kapustin interessierte sich aber nicht für die klassische Virtuosenkarriere. Er liebte den Jazz und beschloss, Jazz zu komponieren. Das tat er für Europa lange ziemlich im Verborgenen, trotzdem überaus erfolgreich. Der junge Pianist Frank Dupree hat gemeinsam mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn ein Kapustin-Album veröffentlicht, das einen guten Einblick in dessen Musik liefert.

Bildquelle: Capriccio

Der CD-Tipp zum Anhören

Vor rund 20 Jahren fingen die Pianisten Stephen Osborne und Marc-André Hamelin allmählich damit an, Kapustins Musik bekannt zu machen. Damals war die Verblüffung groß. Was da zu hören war, schien auf den ersten Blick einer Jam-Session in Clubs wie dem Blue Note oder dem Deer Head Inn entsprungen zu sein. Kaum zu glauben, dass das alles nicht improvisiert war, dass Nikolai Kapustin in Wahrheit jede einzelne Synkope und noch die letzte rasende 64stel dieser Sonaten, Préludes und Etüden penibel genau notiert hat. Bei seinen Werken mit Orchester fehlt dieses Überraschungsmoment natürlich, weil sofort klar ist, dass es sich um auskomponierte Musik handeln muss. So kann einfach kein Orchester improvisieren.

Kurz und bündig

Dieses Album hat gefehlt, weil …
… von den Konzerten Nikolai Kapustins bislang so gut wie nichts erhältlich war.

Dieses Album wird lieben, wer …
… sich für guten Jazz ebenso begeistert wie für klassische Musik.

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil es …
… fantastische Musik in ebensolchen Interpretationen bietet.

Dieses Album lohnt sich für alle, die …
… davon überzeugt sind, Jazz und Komposition seien getrennte Welten. Muss keineswegs so sein.

Jazz ohne Improvisation

In den wirbelnden Läufen und jagenden Repetitionen dieser Musik geht der Jazz eine seltsame Ehe mit der knallharten Schule russischer Klaviervirtuosität ein. Durch die ist Kapustin selbst gegangen. Als Jazzmusiker hat er sich nie begriffen, meinte, er habe nie versucht, ein wahrer Jazzpianist zu sein. "Aber", so fuhr er fort, "ich musste es sein, um des Komponierens willen". Wenn sich jemand kaum für die Improvisation interessiert, widerspricht das natürlich dem Geist des Jazz. Trotzdem wird man kaum behaupten können, der erst vor einem guten Jahr verstorbene Kapustin habe keine Jazzmusik hinterlassen. Mit fadem Crossover hatte er jedenfalls nichts im Sinn, auch in den Konzerten nicht.

Motorischer Drive und rhythmische Präzision

Kapustin kannte Geschichte und Stilistik des Jazz, aber er kopierte nicht, zitierte keine Versatzstücke, sondern hatte diese Musik im Blut und ließ wirklich zwei Welten ineinanderfließen. Der Pianist Frank Dupree und das Württembergische Kammerorchester unter Case Scaglione vermitteln davon einen brillanten Eindruck. Dupree ist der ideale Interpret dieser Musik. Der 29-jährige begann ursprünglich als Jazz-Schlagzeuger, was sich am motorischen Drive und an der rhythmischen Präzision seines exzellenten Klavierspiels bestens bemerkbar macht. Das gilt auch für die Einspielung des Doppelkonzertes, bei der Eosanne Philippens sehr idiomatisch einsteigt. Und auch die Kammersymphonie, das am wenigsten jazzige Werk des Albums, spielt das Württembergische Kammerorchester glänzend. Ein wunderbares Plädoyer für einen sehr besonderen, außergewöhnlichen Komponisten.

Infos zur CD

Nikolai Kapustin:
Klavierkonzert Nr. 4, op. 56
Doppelkonzert op.105
Kammersymphonie op. 57

Frank Dupree (Klavier)
Rosanne Philippens (Violine)
Württembergisches Kammerorchester Heilbronn
Leitung: Case Scaglione

Label: Capriccio

Sendung: "Piazza" am 28. August 2021 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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