Der 46-jährige Edward Gardner ist einer der profiliertesten Dirigenten Englands – mit Beginn der neuen Saison übernimmt er dort das London Philharmonic Orchestra. Gleichzeitig bleibt Gardner aber Chef des Bergen Philharmonic Orchestra. Seine aktuelle CD widmet Gardner weniger bekannter Orchestermusik von Jean Sibelius. Mit dabei: der neue Sopranstar aus Norwegen, Lise Davidsen, die gerade wieder bei den Bayreuther Festspielen die Wagner-Fans zum Toben gebracht hat.
Bildquelle: Chandos
Der CD-Tipp zum Anhören
Selten geht es in der Suite zu "Pelléas und Mélisande" von Jean Sibelius so fröhlich zu wie im Zwischenspiel zum vierten Akt. Wie auch, bezieht sich seine Bühnenmusik doch auf die gleichnamige Tragödie von Maurice Maeterlinck. Für die einzige Gesangsnummer, eine schlichte Ballade, konnte Dirigent Edward Gardner die fantastische junge Sopranistin Lise Davidsen gewinnen – eine Luxusbesetzung.
Weitaus mehr gefordert ist Lise Davidsen in der Tondichtung "Luonnotar", in der Sibelius Worte aus dem finnischen Nationalepos "Kalevala" vertont hat. Der bildgewaltige Schöpfungsmythos beschreibt die Erschaffung des Universums aus einem kosmischen Ei. Sibelius verlangt für die Verkörperung der finnischen Urmutter einen großen Tonumfang – Lise Davidsen hat ihn. Die Sängerin setzt ihr hochdramatisches Material und ihr gehaltvolles Timbre sehr differenziert ein. Mit ihrem stimmlichen Volumen kann sie aber auch auftrumpfen, wenn bei Sibelius die Emotionen hochkochen.
Dieses Album wird lieben, wer …
… in die dunkel glühenden Klangwelten des unbekannteren Sibelius eintauchen will.
Dieses Album muss man haben, weil …
… die norwegische Sopranistin Lise Davidsen dem anspruchsvollen Vokalpart in „Luonnotar“ ihre überwältigende Stimme leiht.
Dieses Album lohnt sich, weil ...
… mit Edward Gardner einer der besten Dirigenten Englands am Pult eines herausragenden skandinavischen Orchesters steht.
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… auch die Klangqualität dieser SACD in ihrer dynamischen Bandbreite und räumlichen Plastizität höchsten Ansprüchen genügt.
Nicht weniger packend wirkt die Orchesterleistung der Philharmoniker aus dem norwegischen Bergen. Chefdirigent Edward Gardner entlockt seinem Orchester eine Fülle an Klangfarben von dunkelster Melancholie bis zu dramatischer Urgewalt. Bestes Beispiel dafür ist die Tondichtung "Tapiola" über den finnischen Gott der Wälder, das Vermächtnis von Sibelius. Sofort zieht einen der Komponist hinein in seine kühne Klangwelt. Mit höchster Präzision und schlackenloser Klarheit folgt Gardner den kunstvollen Metamorphosen dieser Musik und erzielt eine zum Zerreißen gespannte Intensität.
Leichtgewichtiger und eingängiger sind die beiden folkloristischen Frühwerke "Rakastava" und "Frühlingslied" – damit bildet das aktuelle Sibelius-Album die ganze Bandbreite dieser starken Stimme aus dem hohen Norden ab. Ideal für Sibelius-Einsteiger!
Jean Sibelius:
"Luonnotar", Tondichtung für Sopran und Orchester op. 70
"Tapiola", Symphonische Dichtung op. 112
"Pelléas und Mélisande", Suite aus der Bühnenmusik zum Schauspiel von Maurice Maeterlinck op. 46
"Rakastava" für Streichorchester, Triangel und Pauken op. 14
"Frühlingslied" für Orchester op. 16
Lise Davidsen (Sopran)
Bergen Philharmonic Orchestra
Leitung: Edward Gardner
Label: Chandos
Sendung: "Piazza" am 4. September 2021 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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