Googelt man im Netz den Begriff "Sun Rings", dann stößt man auf zweierlei. Erstens: ein solarbetriebenes Heizsystem für Swimmingpools. Und zweitens: ein Werk des amerikanischen Komponisten Terry Riley. Gründervater der Minimal Music und mittlerweile über 80 Jahre alt. Mit dem Kronos Quartett verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit. Dokumentiert durch zahlreiche Aufnahmen meist neuer Werke. Jetzt erscheint wieder eine neue Aufnahme – allerdings eines alten Werks. 2002 wurde "Sun Rings" eine abendfüllende, im wahrsten Sinne des Wortes "kosmische" Komposition uraufgeführt.
Bildquelle: Nonesuch
Die Rezension zum Anhören
Im All gibt es keinen Schall. Der Kosmos bleibt stumm. Zumindest für das menschliche Ohr. Aber bekanntlich ist unseren Sinnen nicht immer zu trauen. Zeigt auch dieser Fall. Denn eigentlich ist da oben die Hölle los. Das sind Geräusche, die unmittelbar Bilder erzeugen, das Dickicht eines Dschungels oder feuchtschwüle Sumpflandschaften.
Doch was hier grummelt und zirpt, ist das All. Plasmawellen, um genau zu sein, von der NASA zum Klingen gebracht und von Terry Riley ins Werk gesetzt. Titel: "Sun Rings", eine abendfüllende Komposition für Streichquartett, Chor und den unendlichen Raum. Kosmische Kammermusik also. Die Erde im Dialog mit den Sternen.
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… "Sun Rings" von Terry Riley überhaupt noch nie eingespielt wurde.
Dieses Album hört man am besten bei …
… Nacht.
Dieses Album führt bei Überdosis zu …
… Raumkoller.
Fast zwanzig Jahre ist die Komposition schon alt. Und das Werk ist durchaus ein Dokument seiner Zeit, der Zeit unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September, als die Erzählung vom Ende der Geschichte plötzlich ihre Glaubwürdigkeit verloren hatte. Als klar wurde, dass das Ende des Kalten Krieges wider Erwarten nicht das Zeitalter globaler Harmonie eingeläutet hatte. Eine Utopie, der Riley mit "Sun Rings" ein musikalisches Denkmal setzt. "Eine Welt ein Volk" – auch vor solchen esoterisch anmutenden Pathosformeln schreckt der Komponist nicht zurück.
Tatsächlich hat man beim Hören zunehmend den Eindruck, dass für Riley der Kosmos weniger Gegenüber als vielmehr jener Ort ist, von dem aus sich die Welt als Ganze in den Blick nehmen lässt. Musikalisch gesprochen: Da wird das kosmische Rauschen zum Hintergrund oder zur Bühne für das Irdische - sprich Weltmusik. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Da verbinden sich jazzige Rhythmen mit den Klangfarben eines klassischen Streichquartetts. Und sakral anmutende Chorklänge mischen sich mit repetitiven Pattern indischer Meditationsmusik.
Fazit: Dieses Album lädt vielleicht nicht ein zur Raumflucht – dafür macht es ordentlich Weltlust.
Kronos Quartet
Label: Nonesuch
Sendung: "Piazza" am 24. August 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK