Endlich ist es soweit: Am 23. August startet Kirill Petrenko als neuer Chef bei den Berliner Philharmonikern. Die Vorfreude wächst – und wird durch die erste gemeinsame CD gesteigert, die gerade beim orchestereigenen Label Berliner Philharmoniker Recordings erschienen ist. Der Konzertmitschnitt von 2017 zeigt, warum Petrenko der Richtige für die Berliner ist: Der Detailarbeiter und Emotionsmusiker motiviert seine Mitstreiter in Tschaikowskys "Pathétique" zu Höchstleistungen. So packend und zugleich unsentimental interpretiert, erlebt man das Stück wie neu.
Bildquelle: Berliner Philharmoniker Recordings
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Schmerzliche Erinnerungen an glücklichere Zeiten: Das populäre Seitenthema im Kopfsatz von Peter Tschaikowskys Sechster Symphonie kann leicht süßlich wirken. Nicht so bei Kirill Petrenko: So zärtlich und innig musiziert, geht es direkt unter die Haut. Umso drastischer bricht dann das Schicksalsthema über Tschaikowskys symphonisches Drama herein – Petrenko entfesselt hier Urgewalten.
Das dynamische Spektrum dieser Aufnahme ist enorm, mit Hilfe der famosen Tontechnik kann Petrenko die Kontraste in Tschaikowskys "Pathétique" voll ausschöpfen. Mit messerscharfer Artikulation geht der Detailfanatiker Petrenko zur Sache, mit langen Generalpausen erhöht er die Spannung. Und verschiebt im Pseudo-Walzer die rhythmischen Konturen derart elegant und lässig, dass einem der Fünfviertel-Takt tatsächlich wie ein Dreier-Metrum vorkommt.
Dieses Album wird lieben, wer …
… Kirill Petrenko liebt – und wer täte das nicht!
Dieses Album muss man haben, weil …
… es die erste CD mit Kirill Petrenko und den Berliner Philharmonikern ist.
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… auch der Sound der CD fantastisch ist.
Dieses Album führt bei Überdosis zu ..
… mehr Berlin-Trips.
Mit samtigem Streicherschmelz und wunderbaren Holzbläser-Soli folgen die Berliner Philharmoniker ihrem künftigen Chef. Schneidende Präzision ist dagegen im Scherzo gefordert – da spannen die Musiker brillant alle Muskeln an, bis der unerbittliche Marsch-Tritt bedrohliche Züge annimmt.
Tschaikowsky beschloss sein Vermächtnis mit einem großen Klagegesang – und ging damit neue Wege in der Symphonik. Petrenko trägt nie dick auf, meidet jeden Anflug von Sentimentalität oder gar Kitsch. Pathos heißt für ihn ganz schlicht Leiden – und Leidenschaft. Dank seines ehrlichen Musizierens wirkt der tragische Schluss viel stärker. Gelegenheit für Petrenko, den dunkel glühenden Klang der Berliner Philharmoniker intensiv auszukosten.
Petrenko motiviert seine Musiker, die sich für ihn hörbar ins Zeug legen, zu Höchstleistungen. Dieser Konzertmitschnitt setzt Maßstäbe und ist ein Versprechen für die gemeinsame Zukunft: Die Berliner haben sich für den Richtigen entschieden, wenn nicht für den Besten. Petrenkos Arbeitsethos wird sie beflügeln. Und einmal mehr wird hier seine Gabe deutlich, auch bekannte Stücke so zu interpretieren, dass man sie wie neu erlebt.
Peter Tschaikowsky:
Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 74 "Pathétique"
Berliner Philharmoniker
Leitung: Kirilll Petrenko
Label: Berliner Philharmoniker Recordings
Sendung: "Piazza" am 01. Juni 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK