Ermanno Wolf-Ferrari bezeichnete sich als "Goldonianer aus Verzweiflung": Der 1876 geborene Sohn eines deutschen Malers und einer Venezianerin sah den Sinn der Kunst darin, durch Schönheit über die Fragwürdigkeit der menschlichen Existenz hinwegzutrösten. Italienisches Temperament und deutsche Innerlichkeit verbinden sich in seiner Musik. Komponieren bedeutete für ihn stets Singen – nicht nur in seinen Buffa-Opern nach Komödien Goldonis, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts Kassenschlager waren; sondern auch in seiner Instrumentalmusik, die von der Entwicklung melodischer Bögen geprägt ist.
Bildquelle: Ars Produktion
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Nicht zufällig ist es ein passionierter Fan der italienischen Oper wie Alban Beikircher, der seit Jahren Wolf-Ferraris vergessenen Werken auf der Spur ist. Belcanto für sein Instrument, Seelengesang auf vier Saiten, das reizte den aus Südtirol stammenden Geiger ganz besonders am Violinkonzert des Deutsch-Italieners. Der 70-jährige schrieb es 1943 für die amerikanische Stargeigerin Guila Bustabo, die seine Opern liebte und sich etwas ähnlich Melodisches für ihr Instrument wünschte. Der Komponist wiederum verehrte die junge Virtuosin schwärmerisch.
Dieses Album wird lieben, wer …
… gern in klanglicher Bellezza schwelgt. Ungeeignet für avantgardistische Fortschrittsdogmatiker!
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… Ermanno Wolf-Ferraris Orchestermusik mit ihrer charmanten Synthese deutscher und italienischer Wesenszüge ein Comeback verdient hat!
Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… es Belcanto auf der Geige feiert!
Dieses Album hört man am besten …
…an einem Sommerabend bei einem Glas Bardolino aus dem Veneto. Salute!
Das Violinkonzert ist eine Liebeserklärung, die die klassische Form sehr frei interpretiert. Es wirkt bisweilen improvisatorisch verträumt, erinnert mit seinen Arabesken an die orientalisierenden Fensterfronten venezianischer Palazzi. Oft ist die Geige die Primadonna, zum Beispiel in der atemberaubenden Solokadenz des Finalsatzes. Doch auch wenn sie gleichsam durch Parlando, Rezitativ und Arioso eine dramatische Atmosphäre voller Stimmungswechsel erzeugt.
Alban Beikircher meistert das mit solcher Virtuosität, Noblesse, Klangschönheit und reicher Ausdruckspalette, dass man sich fragt, warum man von diesem Geiger nicht schon viel öfter gehört hat. Einen hervorragenden Partner hat er im Philharmonischen Orchester Pilsen gefunden, das unter Leitung des japanischen Dirigenten Chuhei Iwasaki elegant zwischen üppigem Orchesterklang und kammermusikalischer Durchsichtigkeit vermittelt. So werden auch die zusätzlichen Orchesterstücke des Albums – das heitere Divertimento und die Suite aus der Oper "I Gioielli della Madonna" – zum italienisch gestimmten Hörvergnügen. Wolf-Ferraris kompositorisches Credo war übrigens: "Es ist sehr leicht, unverständlich zu schreiben! Sehr schwer hingegen: leicht zu schreiben ohne Dummheiten zu sagen!"
Ermanno Wolf-Ferrari:
Violinkonzert op. 26
Divertimento op. 20
Suite aus "I Gioielli della Madonna"
Alban Beikircher (Violine)
Philharmonisches Orchester Pilsen
Leitung: Chuhei Iwasaki
Label: Ars Poduktion
Sendung: "Piazza" am 07. August 2021 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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