Am 13. September jährt sich der Geburtstag von Clara Schumann zum 200. Mal. Auf ihrer aktuellen Solo-CD hat die israelische Pianistin Yaara Tal, immer schon gut für außergewöhnliche Programm-Ideen, eine raffinierte Hommage zum 200. Geburtstag von Clara Schumann zusammengestellt. Das Album mit dem fragenden Titel "Liebe?" geht den verschlungenen Beziehungen rund um das Liebes- und Ehepaar Schumann nach. Seien es Widmungsstücke für Clara, Robert oder deren dritte Tochter Julie – immer überzeugt Yaara Tal mit ihrem ausdrucksstarken, tief empfundenen Klavierspiel.
Bildquelle: Sony Classical
"Die Webenau liebt mich" hat Robert Schumann seinem Tagebuch anvertraut. Und gegenüber seiner Clara bezeichnete er die Komponistin sogar als "gefährliche Nebenbuhlerin": Scherz, Satire, Ironie oder tiefere Bedeutung? Auf ihrer Forschungsreise rund um das Liebes- und Ehepaar Schumann ist Yaara Tal auch auf zwei Fantasiestücke von Julie von Webenau gestoßen, einer Verehrerin von Robert Schumann. Ihm hat sie ihre beiden Stücke gewidmet, die wie Chopin light wirken – was Yaara Tal durch ihr ausdrucksstarkes, nuancenreiches Klavierspiel vergessen lässt. Tiefgründiger wirken die drei Romanzen der jungen Pianistin und Komponistin Clara Wieck, die sie ihrem Verlobten Robert zugedacht hat. Ein leidenschaftlicher, auch schmerzlicher Ton äußert sich da – der Kampf mit Vater Wieck um ihre Ehe hat Spuren hinterlassen. Roberts Schüler und Claras Klavierpartner Theodor Kirchner wiederum widmete ihr eine Reihe von Präludien. In diesen pianistisch anspruchsvollen Charakterstücken kann sich Yaara Tal von ihrer brillanten Seite zeigen.
Dieses Album wird lieben …
… wer romantische Klaviermusik liebt.
Dieses Album muss man haben …
… weil hier die "Alt-Rhapsodie" von Brahms erstmals in einer Version für Tenor, Frauenchor und Klavier vorgestellt wird.
Dieses Album hat gefehlt …
… weil man hier Klaviermusik der Schumann-Verehrerin Julie von Webenau kennenlernen kann.
Dieses Album ist ein Hörgenuss …
… weil Yaara Tal diese Musik mit einer seltenen Ausdruckstiefe spielt.
Wer hat hier eigentlich wen geliebt? In ihrer raffinierten Zusammenstellung von Widmungsstücken geht Yaara Tal dem verschlungenen Beziehungsgeflecht im Hause Schumann nach. Da darf Johannes Brahms natürlich nicht fehlen, der Clara in unausgesprochener Verehrung zugetan war. Seine "Variationen über ein Thema von Robert Schumann" hatte Brahms als Requiem auf den Freund konzipiert. Gewidmet hat er sie allerdings der dritten Tochter der Schumanns, Julie – auf die er ein Auge geworfen hatte. Im kongenialen Zusammenspiel von Yaara Tal und Andreas Groethuysen kommt die Poesie in diesem vierhändigen Gedenkstück wunderbar zur Geltung.
Als Julie Schumann dann einen italienischen Grafen heiratet, überreicht ihr der verbitterte Brahms seine düstere "Alt-Rhapsodie" nach Goethes "Harzreise im Winter" – mit dem einsamen Wanderer der Textvorlage konnte sich Brahms allemal identifizieren. Zur Abrundung ihrer stimmigen Hommage an Clara Schumann fand es Yaara Tal glaubwürdiger, die tragende Altpartie mit einem männlichen Protagonisten zu besetzen – und konnte den balsamischen Tenor Julian Prégardien für ihr Experiment gewinnen. Der Männerchor, der bei Brahms in das finale Gebet einstimmt, wurde konsequent durch den Frauenchor des Bayerischen Rundfunks ersetzt. Und das Orchester vertritt souverän Yaara Tal – ganz allein am Klavier. Diese "Tenor-Rhapsodie" ist gendertechnisch und musikalisch ein starkes Statement!
Julie von Webenau:
"L’Adieu et le Retour”, Morceaux de Fantaisie für Klavier op. 25
Clara Wieck-Schumann:
Trois Romances für Klavier op. 11
Theodor Kirchner: Präludien Nr. 10, 11 und 13 aus 16 Präludien für Klavier op. 9
Johannes Brahms:
Variationen über ein Thema von Robert Schumann für Klavier zu vier Händen op. 23
Rhapsodie für Alt, Männerchor und Orchester op. 53 in einer Fassung für Tenor, Frauenchor und Klavier
Yaara Tal (Klavier)
Klavierduo Yaara Tal & Andreas Groethuysen
Julian Prégardien (Tenor)
Chor des Bayerischen Rundfunks
Einstudierung und Leitung: Yuval Weinberg
Label: Sony
Sendung: "Piazza" am 07. September 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK