Nietzsche nannte ihn den "schönsten Zwischenfall der deutschen Musik": So viel Leichtigkeit, Eleganz und tänzerische Energie wie der junge Felix Mendelssohn-Bartholdy versprüht kaum ein anderer deutscher Komponist.
Bildquelle: Sony Classical
CD-Tipp 27.5.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Mendelssohn, das Glückskind, hineingeboren in eine hochgebildete, reiche Familie, in der jüdische und preußische Kultur zusammengefunden hatten im Zeichen von Weltoffenheit, Aufklärung und Liebe zur Kunst. Und dazu eine geniale Frühbegabung: Mit der Ouvertüre zu Shakespeares "Sommernachtstraum" gelang dem erst 17-jährigen eines der großartigsten Meisterwerke des 19. Jahrhunderts.
Dirigent Alexander Liebreich und das Münchner Kammerorchester, in einigen Nummern unterstützt von Mitgliedern des Chores des Bayerischen Rundfunks, treffen ins Herz dieser Musik: Mendelssohns jugendlicher Geniestreich bekommt unwiderstehlichen Drive. Doch Shakespeares "Sommernachtstraum" ist nicht nur von leichtfüßigen Elfen bevölkert. Da treibt sich noch anderes Gesindel herum: schräge Figuren aus dem Mythos, derbe Handwerker und, last not least, ein triebverwirrter Esel. Liebreich hütet sich denn auch, den jungen Mendelssohn auf das Klischee des immer gut gelaunten Wunderkindes zurechtzustutzen. Nein, diese Musik ist keineswegs harmlos, sie weiß auch von den Nachtseiten der Seele, von Dunkelheit und Aggression.
Dieses Changieren zwischen Nacht und Tag, zwischen düsterem Ernst und überschäumender Lebensfreude findet sich auch im zweiten Werk dieser schönen CD, der Italienischen Symphonie. Mendelssohns Vater hatte den 20jährigen Komponisten auf eine große Bildungsreise quer durch Europa geschickt. Nach einem Aufenthalt in England reiste er nach Italien, von Venedig über Rom, wo erste Skizzen zur Italienischen Symphonie entstanden, nach Neapel. Im Finale ließ sich Mendelssohn von einem neapolitanischen Tanz inspirieren, dem Saltarello. Liebreich steigert dessen motorische Energie in einen Bewegungsrausch, der auf Messers Schneide steht zwischen Euphorie und Bedrohlichkeit.
Dabei finden Liebreich und das Münchner Kammerorchester zu einer gelungenen Synthese aus symphonischer Klangfülle und Impulsen der historischen Aufführungspraxis: Die eher kleine Streicherbesetzung des Münchner Kammerorchesters, die Liebreich nur sparsam vibrieren lässt, sorgt für große Transparenz und gibt den Bläsern Raum zur Entfaltung. So entsteht ein schlanker, dabei klar konturierter und zupackender Klang, eine überzeugende Synthese aus Eleganz und Kraft. Denn Mendelssohns Musik war nicht nur ein schöner "Zwischenfall der deutschen Musik", wie Nietzsche meinte, der von seiner "leichteren, reineren, beglückteren Seele" schwärmte. Nein, weit mehr: sie umfasst die ganze Skala menschlicher Gefühle.
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Schauspielmusik zu William Shakespeares "Ein Sommernachtstraum", op. 61
Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90
Lydia Teuscher und Christiane Iven, Sopran
Mitglieder des Chores des Bayerischen Rundfunks
Münchener Kammerorchester
Leitung: Alexander Liebreich
Label: Sony Classical, Koproduktion mit BR-KLASSIK