Er ist der Sohn einer Griechin und eines Franzosen, studierte unter anderem am Pariser Conservatoire und bei Iannis Xenakis und setzte sich intensiv mit Jazz und Filmmusik auseinander: Letztere sollte denn auch sein Hauptbestätigungsfeld werden. Alexandre Desplat heißt der Mann, der 2015 den Filmmusik-Oscar für seine Musik zu "Grand Budapest Hotel" erhielt und schon so manch anderen international renommierten Preis für Filme wie "The Queen", "Der wilde Schlag meines Herzens", "Der bunte Schleier" oder "The King’s Speech".
Bildquelle: Decca
Der CD Tipp zum Anhören
Jetzt wurde er mit dem "Golden Globe" für seinen Soundtrack zu Guillermo Del Toros neuesten Fantasyfilm "Das Flüstern des Wassers" ausgezeichnet. "Shape of Water" (Originaltitel) spielt Anfang der 1960er Jahre auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Hauptprotagonistin ist die stumme Elisa, die nachts als Reinigungskraft in einem Hochsicherheitslabor des US-Regierung jobbt und hierbei auf "Die Kreatur" trifft: einen Amphibienmann, den man zu Forschungszwecken in einem Wassertank hält. Zwei stumme Wesen also, die über die Musik lernen zu kommunizieren. Und genau hier beginnt die Arbeit des Komponisten: mit Harfe, 12 Flöten (!), menschlichem Pfeifen und einem Akkordeon. Denn schon früh stand für Desplat fest, dass sich die beiden stummen Hauptfiguren und das sie umgebende, wässrige Milieu irgendwie in seiner Filmmusik wiederspiegeln müssten: Das menschliche Pfeifen steht für die stumme Elisa, das Akkordeon als Stimme des vermeintlichen "Monsters". Und der beschwingte Dreiertakt seines Hauptthemas mag einerseits seiner französischen Heimat geschuldet sein, vor allem aber der Charakterisierung einer weiß Gott bizarren Liebesbeziehung.
Dieser durch und durch "humane" Kern steht hier als bewusst inszenierter Gegenpol zum Kalten Spionage-Krieg zwischen Russen und Amerikanern. Letzterer findet seine klangliche Entsprechung in einer finster-mysteriösen Klangsphäre (z.B. "The Creature"). Desplat schägt hier musikalisch Kapital aus der Erkenntnis von Hitchcock-Komponist Bernard Herrmann, wonach diejenige Filmmusik besonders wirksam ist, die sich mitunter sparsamster Mittel bedient: im vorliegenden Fall ein bedrohlich wirkendes Motiv in den Bässen, gepaart mit dem Zitter-Gestus der Streicher und einem wässrig wirkenden "Flautando" der erwähnten 12 Flöten.
Demgegenüber steht eine bewusst lichte Atmosphäre - für den Moment nämlich, da sich die "stumme Prinzessin" und ihr Unterwasserprinz erstmals umarmen ("Underwater Kiss"). Hier darf dann auch eine gute Prise frankophoner Behaglichkeit zum Vorschein kommen und die ganze Szene mit Hilfe des Akkordeons in ein romantisch-verklärtes Licht rücken. Und weil Desplat auch erklärter Jazzfan ist, hat er Harry Warrens Jazzstandard "You’ll never know" kurzerhand in seinen Filmscore mit eingebaut - interpretiert von der Sopranistin Renée Fleming. Solche "prominenten Schmankerln" - wie seinerzeit auch die Mitwirkung von Lang Lang an der Musik zu "Der bunte Schleier" - unterstreichen die exklusive Stellung dieses Filmkomponisten.
Als Orchester ist immerhin das London Symphony mit von der Partie. Und dass Desplat selbst nicht nur dirigiert, sondern auch diverse Querflötenparts spielt, weist ihn einmal mehr als Vollblutmusiker aus: Ein Soundtrack, der voraussichtlich auch Thema bei den diesjährigen "Oscars" sein wird.
"The Shape of Water - Das Flüstern des Wassers" (Film-Soundtrack)
London Symphony Orchestra
Leitung: Alexandre Desplat
Label: Decca
Sendung: "Leporello" am 28. November 2017 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK