Als 1893 der tschechische Komponist Alois Hába als Sohn des Schusters und Dorfkapell-Klarinettisten Frantisek im mährischen Wisowitz das Licht der Welt erblickte, waren längst viele Kultur und Weltbild bestimmenden Gewissheiten ins Wanken gekommen und in Auflösung begriffen. In der Musik wurde offenbar, dass die seit 300 Jahren grundlegende Dur-Moll-Tonalität an die Grenzen ihrer Möglichkeit gestoßen war.
Bildquelle: NEOS
CD-Tipp 20.03.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Schönberg oder Debussy, Strawinsky oder Varèse stellten sich dem Aufbruch in die Moderne auf je individuelle Weise. Und auch der rührige, hochkreative Alois Hába, gehört zu den Pionieren der Musik des 20. Jahrhunderts. Nicht zuletzt wegen seiner Erfahrungen mit der mährischen Volksmusik verfügte er über eine besondere Sensibilität für feinste Tonhöhennuancen und er entwickelte Systeme für Viertel-, Fünftel- und Sechsteltönen, die einem großen Teil seines umfangreichen Oeuvres zugrunde liegen. 1946 in Prag von dem legendären Geiger Dušan Pandula das Hába Quartett gegründet. In junger Formation ist es seit über einem Jahrzehnt in Frankfurt ansässig und nun hat es alle 16 zwischen 1919 und 1970 entstandenen Streichquartette Hábas neu eingespielt.
Wie in allen eingespielten Werken – sowohl den auf der herkömmlichen Tonleiter beruhenden als auch den Mikrotonal angelegten – besticht das Spiel des Hába Quartetts durch große Ausdrucksintensität und eine bestechend sichere Intonation. Es ist eine Freude zu erleben, wie die Musik des zu Unrecht ziemlich ins Abseits der Konzertprogramme geratenen Komponisten zu kräftiger Blüte kommt: hochvital und tieflotend, manchmal geheimnisvoll, manchmal burlesk – stets aber nachhaltig befreit vom Staub des Akademismus. Dass die Nazis diese Musik als entartet verfemten und Kunstapparatschiks in Prag, wo Hába 1973 gestorben ist, sie später als "kosmopolitisch und formalistisch" abqualifizierten, mag ihr zu höherer Ehre gereichen. Angewiesen ist sie nicht darauf. Hábas Werke gehören in jedem Fall zum Kanon der wichtigen Musik des 20. Jahrhunderts.
Streichquartette Nr. 1-16
Sechs Kompositionen für Streichquartett op. 37
Tagebuch-Notizen op. 101 für Sprechstimme & Streichquartett
Sigune von Osten (Sprecherin)
Hába Quartett
Label: NEOS