Er studierte bei Joachim Raff in Frankfurt und wurde von Franz Liszt gefördert. Die Rede ist von dem Pianisten, Dirigenten und Komponisten Anton Urspruch. Zur Elite der virtuosen Salon- und Konzertkultur des späten 19. Jahrhunderts zählend, hinterließ er ein umfangreiches, jedoch weitgehend in Vergessenheit geratenes Schaffen für Klavier solo. Diesem widmete sich die kroatische Pianistin Ana-Marija Markovina, zu deren Lehrern Vitaly Margulis, Anatol Ugorski und besonders Paul Badura-Skoda zählten.
Bildquelle: Hänssler
Der CD-Tipp zum Anhören
Mit einer erfrischenden Verve lässt Ana-Marija Markovina die raffiniert synkopierten Akkordfolgen im zweiten der "Fünf Fantasiestücke" von Anton Urspruch aufbrausen. Die Pianistin überzeugt nicht nur durch ihre temperamentvolle Gestaltung der wuchtigen Passagen, sondern auch durch ihr feines Gespür für die zarteren, liedhaften Töne dieses typisch romantischen Klaviersatzes. Dieser erinnert an die Musiksprache Robert Schumanns und Frédéric Chopins sowie in seinen virtuoseren Ausprägungen auch an Franz Liszt.
Der faszinierende Ausdrucksreichtum von Urspruchs Werken reicht von lyrischer Schlichtheit über schweifende Fantastik bis hin zu hochanspruchsvoller Virtuosität, deren zuweilen vertrackte pianistische Anforderungen Ana-Marija Markovina bravourös bewältigt. In Urspruchs Suiten-ähnlich zusammengestellten "Cinq Morceau pour le Piano" verweist das zweite Stück nicht nur durch seinen Titel "Impromptu" auf Chopin. Auch satztechnisch hat diese feingesponnene Miniatur mit ihrer einfachen, durch Triller und Arpeggien angereicherten Melodie über harmonisch changierenden Akkordflächen, chopineske Züge.
Ana-Marija Markovina nimmt uns mit auf eine spannende Entdeckungsreise durch das vielschichtige Oeuvre eines nahezu unbekannten Klavierromantikers. Geradezu organisch gestaltet sie die subtile Dramaturgie aus Stauungen und Lösungen in Anton Urspruchs "Impromptu" aus seinen "Cinq Morceau pour le Piano". Rundum überzeugend ist auch ihre Interpretation seines ausgreifenden Zyklus von 24 Variationen über ein eigenes und zugleich Assoziationen an Brahms weckendes Thema. In dem eher konservativen Kompositionsstil Urspruchs, mit seinen zahlreichen Anklängen an andere, berühmtere Komponisten, liegt möglicherweise der Hauptgrund dafür, dass sein Werk bald nach seinem Tode im Jahr 1907 für mehr als ein Jahrhundert in Vergessenheit geriet. Aber auch wenn seine Musiksprache keinen unverwechselbaren, individuellen Stil ausbildete, gibt sie mit ihrer poetisch-musikalischen Bandbreite doch ein reizvolles Zeugnis von den vielfältigen musikästhetischen Dimensionen ihrer Zeit. Das macht Ana-Marija Markinovas gelungene Urspruch-Interpretation überzeugend deutlich.
Ana-Marija Markovina, Klavier
Label: Hänssler
Sendung: "Leporello" am 14. November 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK