Bildquelle: Glossa
Die Kostprobe vom 5. April 2015
Antonio Caldara - Morte e sepoltura di Christo
Marmorn liegt er da - der verstorbene Christus. Über ihm, aus dem Stein gewirkt, ein zartester Schleier, mehr die Konturen betonend als sie verdeckend. Ein Meisterwerk der spätbarocken Bildhauerei: Cristo velato, der Verhüllte Christus, geschaffen 1753 von Giuseppe Sanmartino, zu bestaunen in der Cappella Sansevero in Neapel - und dieses Bildnis ziert auch Cover wie Booklet einer neuen CD mit dem Oratorium "Morte e sepoltura di Christo", Tod und Grablegung Christi, von Antonio Caldara.
Als er für die Fastenzeit 1724 sein "Morte e sepoltura" schrieb, wirkte der Venezianer Antonio Caldara bereits seit acht Jahren am Kaiserhof in Wien als Vizekapellmeister unter Johann Joseph Fux. Er hatte gründlich gelernt, was hier kompositorisch von ihm erwartet wurde: denn Kaiser Karl VI. liebte den gewichtigen Kontrapunkt. Caldara verband seine italienisch flüssige Schreibweise mit dem deutschen Geschmack zu einer perfekten Stilsynthese, mit der er in Wien größte Erfolge feierte.
Caldara komponierte ein dramaturgisches Meisterwerk auf ein emotional-affektvoll angelegtes Libretto. Jeder der fünf biblischen Charaktere betrauert den Tod von Jesus Christus auf seine ganz eigene Weise. Das durchgängig italienisch besetzte Gesangsquintett singt ganz auf der Höhe und im kollegialen Geist mit seinen instrumentalen Kolleginnen und Kollegen - und das heißt hier beileibe nicht wenig. Einzig die erste Sopranistin, die ansonsten mit hervorragender Stimmführung und Feinzeichnung überzeugt, könnte Vibrato und Lautstärkespitzen in den hohen Lagen etwas zügeln. Nicht wenige der Arien werden von obligaten Instrumentalparts begleitet, mit zum Teil ganz aparten und selten zu hörenden Klangbildungen.
Von einem Schleier bedeckt wie der "Cristo velato" ist diese Aufnahme von Caldaras "Morte e sepoltura" dagegen überhaupt nicht - ganz im Gegenteil. Bereits seit 1990 befasst sich das norwegische Stavanger Symphony Orchestra intensiv mit der historisch informierten Aufführungspraxis von barocker und klassischer Musik und beschäftigt dafür einen eigenen künstlerischen Leiter. Das ist seit 2006 Fabio Biondi, Gründer und Leiter des bekannten Alte Musik-Ensembles "Europa Galante". Fabio Biondi hält von der Barockvioline aus die opernmäßige Abfolge von Rezitativen und Arien zusammen und arbeitet die unterschiedlichen Färbungen und Stimmungen plastisch und temperamentvoll heraus. Abgerundet mit einigen ergänzenden Instrumentalsätzen und Motetten ergibt sich eine prächtige, gleichermaßen ergreifende wie abwechslungsreiche CD-Aufführung.