Wann immer Murray Perahia spielt, Bach vor allem, geht es ihm um den roten Faden. Jener rote Faden, der aus Takten, Figuren, Trillern, aus Gegenstimmen, Harmoniefolgen und dem komplexen Dickicht von Melodie und Kontrapunkt eine Linie macht. Eine klare, manchmal melancholisch-verhangene, manchmal heiter-verspielte Geschichte. Der rote Faden, der hinterher beim Hören alles so einfach und scheinbar offensichtlich klingen lässt. Der Bachs Klavier-Musik für jeden sofort emotional aufschlüsselt, obwohl sie maximal kompliziert geschrieben ist.
Bildquelle: Deutsche Grammophon
CD-Tipp 21.10.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Zu wissen, wie die einzelnen Stimmen Teil des Gefüges sind, ohne ihre Unabhängigkeit zu verlieren, ist für Perahia die Essenz, wenn er Bachs Musik auf dem Klavier spielt. Lange hat der amerikanische Pianist sich Zeit gelassen, um nach den Konzerten, den Partiten und den Goldberg-Variationen jetzt die Französischen Suiten auf CD einzuspielen; beschäftigt haben sie ihn seit seiner Jugend. Damals spielte man Bachs Tastenmusik zumeist auf dem Cembalo, und außer einigen Klavier-Göttern wie Glenn Gould oder Emil Gilels spielten wenige überhaupt Bach.
Murray Perahia wusste schon mit 15 Jahren, was er wollte: Bach auf dem Konzertflügel spielen. Für manche ist das noch heute ein Ärgernis; in den 1960ern war es fast ein Sakrileg. Sein Lehrer Clifford Curzon fand das schlicht "zu romantisch". Perahia hat also das Cembalo mit seinen Kniffen und Tücken über Jahre studiert, so lange die Klangwirkungen analysiert, bis er verstand, was er mit Bachs Musik auf einem modernen Instrument tun und lassen muss. Zum Beispiel wenig Pedal nehmen, damit nichts verschwimmt; aber eben doch so dezent Pedal gebrauchen, dass man hört, wie die Harmonien aufeinander reagieren: perfekte Feinjustierung. Die Feinmotorik muss ohnehin wie am Schnürchen laufen bei den perlenden, eleganten französischen Gigues, Allemandes und Courantes.
Heraus kommen auf Murray Perahias Doppel-CD mit den in Köthen komponierten Französischen Suiten sechs Seelen-Spaziergänge: drei in Moll, melancholisch, schattig, auf anrührende Weise traurig. Und drei in Dur, tänzelnd, leichtfüßig, brillant. Leicht wie eine Feder, die der Wind immer höher in den Himmel trägt. Es gibt viele Musiker, für die die Werke von Johann Sebastian Bach Lebenselixier, oder, um es pragmatischer zu sagen, täglich Brot sind. Zur Seelen-Hygiene, finden viele, eignen sie sich wie sonst nichts. Pop-Ikone Sting sagt: "Für mich ist Bach der wichtigste Deutsche überhaupt - die Nummer eins!" Murray Perahia bleibt auch da dezent, aber bestimmt: "Ich beschäftige mich jeden Tag mit Bach, und das stärkt mich. Dafür bin ich sehr dankbar." Man hört es, auch auf dieser CD.
Murray Perahia (Klavier)
Label: Deutsche Grammophon