BR-KLASSIK

Ob Johann Sebastian Bach sein Magnificat so umwerfend virtuos gehört hat, als er es 1723 in Leipzig mit seinen Thomanern als krönenden Abschluss seiner Weihnachtsmusik erstmals einer wahrscheinlich staunenden Gemeinde vorführte? Angesichts des unglaublichen Pensums, das die Chorknaben in der Weihnachtszeit zu bewältigen hatten, kann man es sich fast nicht vorstellen. Aber wissen tun wir es nicht, denn zeitgenössische Kommentare fehlen. Wie auch immer, John Eliot Gardiners Monteverdi Choir und seine English Baroque Soloists machen aus diesem Magnificat ein weihnachtliches Klangfest.

Gardiner, der Bachs Magnificat vor einem Vierteljahrhundert schon einmal in der gängigen D-Dur-Version aufgenommen hat, entschied sich jetzt beim zweiten Anlauf für die ursprüngliche Fassung in Es-Dur. Die glänzt durch einen besonders strahlenden, allerdings auch besonders anspruchsvollen Trompetenpart, den Neil Brough in dieser Neuaufnahme wie ein Trapezkünstler meistert. Noch interessanter sind die sogenannten laudes, vier volksliedartige Hymnen, die Bach in der Originalfassung zwischen die lateinischen Verse schob, in der späteren Fassung aber gestrichen hat. Diese Entscheidung kann man - Gardiners Aufnahme beweist es - durchaus bedauern, als Weihnachtsmusik funktioniert die längere Originalfassung jedenfalls deutlich besser.

Höchste Anforderungen gemeistert

Das Magnificat stellt höchste Anforderungen an die Virtuosität der Sänger. Der Monteverdi Choir meistert sie wie selbstverständlich, eine schlicht großartige Aufnahme. Das gilt nicht weniger für die selten zu hörende Missa brevis in F-Dur, mit der Gardiner das Magnificat sinnvoll ergänzt. Es ist eine der vier lutherischen Messen Bachs, ein Werk, das Gardiners Meinung nach zu Unrecht vernachlässigt wird. Wer seine wunderbare Aufnahme hört, wird ihm sofort zustimmen.

Ungewöhnliche Weihnachtsmusik

Gerundet wird diese schöne Weihnachts-CD durch die Kantate "Süßer Trost, mein Jesus kömmt". Nein, es ist nicht die übliche Weihnachtsmusik, die John Eliot Gardiner hier auf allerhöchstem Niveau bietet. Aber schöner, als Johann Sebastian Bach es in diesen drei Werken getan hat, kann man das Weihnachtsfest eigentlich nicht besingen.

Sendung: "Leporello" am 20. Dezember 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK