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CD - Dina Ugorskaja spielt J. S. Bach: Das Wohltemperierte Klavier

Dina Ugorskaja, geboren 1973 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, ist die Tochter des Pianisten Anatol Ugorski. 1990 flüchtete ihre Familie vor radikal nationalistischer und antisemitischer Anfeindung nach Ost-Berlin und lebte dort fast zwei Jahre lang in einer Flüchtlingsunterkunft. Dina Ugorskaja, die von sich selbst sagt, sie habe Bach’sche Fugenthemen bereits singen können, bevor sie zu sprechen begann, schrieb sich an der Berliner Musikhochschule ein; in Detmold absolvierte sie die Meisterklasse im Fach Klavier und ist seit diesem Jahr Professorin an der Wiener Universität.

Bildquelle: AVI Music

CD-Tipp 06.10.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Nun ist ihre Gesamteinspielung des "Wohltemperierten Klaviers" beim Kölner Label AVI erschienen - eingespielt in Co-Produktion mit dem Bayerischen Rundfunk im Studio 2 des Münchner Funkhauses. Und schon der Auftakt mit dem allseits vertrauten C-Dur-Präludium ist eine kleine Überraschung. Denn in derart zügigem Tempo hört man dieses Stück eher selten.

Kantable Linienführung und transparente Artikulation

Doch geht es Dina Ugorskaja keineswegs darum, mit allen Mitteln auf sich aufmerksam zu machen. Vielmehr nimmt sie sich die Freiheit, gewisse interpretatorische Gepflogenheiten kritisch zu hinterfragen, ihren eigenen Standpunkt zu Bachs Notentext zu finden. Einem Notentext wohlgemerkt, in dem so gut wie keine Tempoangaben existieren. Dennoch knüpft sie, wie schon die nachfolgende C-Dur-Fuge verrät, mit ihrer Bach-Auffassung weniger an die russische Virtuosen-Tradition an als an diejenige eines Swjatoslaw Richter oder einer Tatjana Nikolajewa: kantable Linienführung und transparente Artikulation scheinen bei Ugorskajas Bach-Spiel an oberster Stelle zu stehen. Und selbst, wenn sie einzelne Stücke extrem langsam angeht, wie etwa das "Präludium cis-Moll", so hat das nichts zu tun mit pianistischer Hybris oder Exzentrik sondern eher mit persönlicher Überzeugung, die vielerorts - wenn auch vielleicht nicht immer - auch den Hörer überzeugt und in Bann zieht. Ganz einfach deshalb, weil die gestalterischen Mittel in sich stimmig erscheinen.

Disziplin und Schnörkellosigkeit

Sobald sich Dina Ugorskaja für eine Gangart entscheidet, bleibt sie konsequent dabei. Größere agogische Eigenwilligkeiten wie beispielsweise bei Angela Hewitt kommen bei ihr nicht vor. Eher dominieren Disziplin und Schnörkellosigkeit ihr Bach-Spiel. Das D-Dur-Präludium zum Beispiel nimmt Dina Ugorskaja ausgesprochen motorisch. Ihre Artikulation der benachbarten d-Moll Fuge dagegen lässt wiederum aufhorchen und zeigt eine durchaus interessante Alternative im Umgang mit dieser vielleicht sprödesten aller Fugen des ersten Bandes auf.

Ohne jede Effekthascherei

Und alle Fans Gould'scher Non-Legato-Technik kommen ebenfalls auf ihre Kosten, etwa in der E-Dur-Fuge. Nur, dass sich Dina Ugorskaja auch hier jeglichen Tempo-Exzess verbietet und stattdessen ihrer grundsoliden, von Disziplin bestimmten Haltung treu bleibt. Eine Bach-Interpretation ohne jede Effekthascherei, dafür aber mit viel gestalterischem Geschmack.

Johann Sebastian Bach: Das Wohltemperierte Klavier, Band I & II

Dina Ugorskaja (Klavier)
Label: AVI music

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