BR-KLASSIK

Am 25. August wäre Leonard Bernstein 100 Jahre alt geworden. Natürlich haben zahlreiche Musiker Lust, zu diesem Datum ihre spezielle Sicht auf Bernstein und seine Musik zu präsentieren. Zum Beispiel auf die Musicals, die Bernstein neben "West Side Story" auch noch komponiert hat. Zum Beispiel "Wonderful Town" von 1953, das lange Zeit am Broadway und im Londoner West End lief, danach aber eher ein Schattendasein geführt hat. Simon Rattle und sein London Symphony Orchestra wollen dem nun ein Ende setzen und haben das Stück auf CD eingespielt.

Eileen und Ruth, zwei Schwestern aus Ohio, brechen auf, um in Leonard Bernsteins "Wonderful Town" ihr Glück zu machen. In den Big Apple, mit all seinen Möglichkeiten. Fest im Blick: die Erfüllung aller amerikanischen Mädchenträume! Die Landung in New York ist umso härter für die beiden, und das Heimweh auf Schritt und Tritt dabei, wenn sie durch die Christopher Street und das Künstlerviertel Greenwich Village laufen. Eileen ist die Hübschere, kann sich der Verehrer kaum erwehren und schwärmt für den Drogeriehändler ums Eck. Ruth hat den Sturschädel und den stärkeren Willen, was ihr zwar kein Date, aber den größten Hit ins Bernsteins Musical beschert: "One Hundred Easy Ways to Lose a Man".

Durch Hindernisse zum Happy End

Das 1953 komponierte Stück, zu dem Betty Comden und Adolph Green wie schon beim Vorgänger-Musical "On the Town" zehn Jahre zuvor die Liedtexte geschrieben haben, ist eine musikalische Liebeserklärung an New York. Und an das typisch amerikanische Klischee der Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär. In diesem Fall zur Journalistin und Sängerin, und natürlich mit Hindernissen: Mit ihren Texten fällt Ruth in der Redaktion zunächst durch. "What a Waste!", "Was für eine Zeitverschwendung", rotzt der Redakteur. Eileen vergeigt um ein Haar ihr Vorsingen und scheitert am unverzichtbaren Upper-Class-Smalltalk. Natürlich verlieben sich beide prompt auch noch in denselben Typen, klären das aber schwesterlich loyal, so dass Ruth am Ende ihren Bob und Eileen die Broadway-Karriere bekommt. Happy End!

Schmissig und locker

Leonard Bernsteins "Wonderful Town" strotz vor schmissigen Rhythmen, lockerem Flair, tollen Melodien und Aufbruchsstimmung. Und Simon Rattle kitzelt all das wie selbstverständlich heraus aus seinem London Symphony Orchestra, als wäre dessen eigentlicher Arbeitsplatz nicht die Royal Albert Hall, sondern die 42nd Street, Manhattan.

Ideale Sängerbesetzung

Die richtige Würze verleihen der Aufnahme allerdings die beiden Schwestern. Brillant besetzt mit der amerikanischen Sopranistin Danielle de Niese als glaubhaft naive, zugleich faszinierend charmante und stimmlich absolut bühnentaugliche Eileen. Und der amerikanischen Schauspielerin Alysha Umphress als resolute, widerborstige und trotzdem einnehmende Power-Frau Ruth.

Vibrierend, pulsierend, packend

Ein Musical, das man sofort mögen muss, wenn man nur ein bisschen New-York-verliebt und Leonard-Bernstein-Fan ist. Und dass man gar nicht besser kennen lernen kann, als mit dieser vibrierenden, pulsierenden, packenden Einspielung von Simon Rattle mit dem London Symphony Orchestra. Bitte mehr davon!

Leonard Bernstein: "Wonderful Town"

Danielle de Niese, Sopran – Eileen
Alysha Umphress, Gesang – Ruth
Nathan Gunn, Bartion – Bob Baker

London Symphony Orchestra
Leitung: Simon Rattle

Label: LSO Live