Komponierender Wissenschaftler oder wissenschaftlicher Komponist - das fragt sich so mancher, wenn von Alexander Borodin die Rede ist. Er war eine Doppelbegabung. Der Russe wirkte als anerkannter Mediziner und Chemieprofessor in St. Petersburg, spielte aber auch ausgezeichnet Cello und komponierte außerdem noch. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Oper "Fürst Igor", die "Polowetzer Tänze" aus dieser Oper und "Eine Steppenskizze aus Mittelasien". Dass Borodin zudem hörenswerte Kammermusik komponierte, demonstrieren der Pianist Piers Lane und das Goldner String Quartet.
Bildquelle: Hyperion
Der CD-Tipp zum Anhören
Zarte Kantabilität und romantische Anmut durchflutet Alexander Borodins Zweites Streichquartett in D-Dur, das die vier vom Goldner String Quartett wunderbar einfühlsam und zugleich musikantisch beschwingt intonieren. Formal orientiert sich das kontrapunktisch dicht gewebte Werk am späten Beethoven. Es entstand 1881 und löste zusammen mit Borodins 1874 komponiertem ersten Streichquartett sowie mit den Streichquartetten Tschaikowskys eine veritable Quartettwelle in Russland aus. Lieblingsinstrument Borodins war allerdings das Cello, für das er im Jahr 1860 seine Sonate für Cello und Klavier in h-Moll schuf. Dieses Frühwerk des russischen Komponisten, dessen unvollständig gebliebenes Manuskript von dem Musikwissenschaftler Mikhail Goldstein rekonstruiert wurde, beginnt mit einem Thema, das sich von einem Fugenthema in Bachs erster Sonate für Solovioline ableiten lässt. Die dreisätzige Sonate schlägt aber immer wieder auch lyrisch-raphsodische Töne an, auf die sich der Cellist Julian Smiles und der Pianist Piers Lane mit feinem Gespür für die subtilen Stimmungswechsel hingebungsvoll einlassen.
Obwohl sich Alexander Borodin in Sankt Petersburg der "Mächtiges Häuflein" genannten Komponistengruppe anschloss, die eine Erneuerung der russischen Musik aus der heimatlichen Folklore anstrebte, zeigen seine kammermusikalischen Werke oftmals weniger originär-russische Einflüsse als etwa seine "Polowetzer Tänze" und sind eher an westlichen Vorbildern wie Beethoven oder Schumann orientiert. Immerhin ist der zweite Satz seines 1862 entstandenen Klavierquintetts in c-Moll ein schwungvolles "Scherzo à la russe" in der Manier eines slawischen Tanzes. Stilsicher und mit organisch aufeinander abgestimmtem Zusammenspiel musizieren Piers Lane und das Goldner String Quartet auch dieses frühe Werk. Ihre mitreißende Interpretation gerät zum überzeugenden Plädoyer für die Kammermusik-Kunst Alexander Borodins, deren Entdeckung sich durchweg lohnt.
Klavierquintett c-Moll
Sonate für Cello und Klavier h-Moll
Streichquartett Nr. 2 D-Dur
Julian Smiles (Cello)
Piers Lane (Klavier)
Goldner String Quartet
Label: Hyperion
Sendung: "Leporello" am 09. Mai 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK