Sein erstes Stück für präpariertes Klavier schrieb John Cage 1940 für eine Tänzerin, die in einem winzigen Aufführungsraum ihr energiegeladenes Stück "Bacchanal" aufführen wollte. Er hatte für Schlagzeugensemble komponieren wollen, es gab dort aber keinen Platz dafür; nur ein kleiner Flügel stand in der Ecke.
Bildquelle: Wergo
Der CD-Tipp zum Anhören
Antonis Anissegos spielt John Cage
Also erinnerte sich Cage an Experimente seines Lehrer Henry Cowell, den Erfinder des Clusters, der auch schon direkt auf Klaviersaiten musiziert hatte und machte aus der Not eine Tugend. Probender Weise begann er Schrauben, kleine Holzbolzen oder Dichtungsringe zwischen die Saiten des Flügels zu stecken.
"Ich war begeistert, als ich merkte, dass mittels einer einzige Präparation zwei verschiedene Klänge produziert werden konnten", so Cage. "Der eine war hallend und offen, der andere leise und gedämpft. Er wurde hörbar, wenn man das Pedal bediente". Das "prepared piano" war erfunden - und in den Folgejahren kultivierte Cage zu raffinierte Präparationsverfahren und er entwarf genau definierte Anleitungen und Präparationstabellen für seine Stücke. Zum Schlüsselwerk der Gattung - und der vielleicht bekanntesten Komposition John Cages - sollte sein 1948 fertig gestellter, wohlproportionierter Zyklus der "Sonatas and Interludes" werden.
Viele namhafte Pianisten haben diese 20 so vitalen wie geheimnisvollen Stücke bereits eingespielt. Und nun auch der 1970 in Thessaloniki geborene Antonis Anissegos - der nicht nur als Interpret, sondern auch Komponist erfolgreich ist (er studierte u.a. bei Krzysztof Meyer und Walter Zimmermann.) Auf geradezu suggestive Weise gelingt es ihm, die Hörer zum Lauschen zu bringen. Ihnen Wege zu erschließen ins Innere einer perkussiv-kristallinen und mosaikhaft facettenreichen Klangwelt. Mit seiner rhythmischen Akkuratesse und einer Klangsensibilität, die auch magische Zwischentöne hörbar macht, vermag Anissegos in quasi rituelle Bereiche vorzustoßen.
Formal und was ihr emotionales Potenzial betrifft, haben die Miniaturen nichts zu tun mit der klassisch-romantischen Sonate. "Sonata" bedeutet hier so viel wie Klangstück, und mag an den Geist der Esserzitii eines Domenico Scarlatti erinnern. Aber John Cage, der sich in den 1940er Jahren intensiv mit indischer Philosophie auseinander gesetzt hatte, versuchte mit den Stücken die permanenten Emotionen der hinduistischen Tradition musikalisch zu fassen: "das Heroische, das Erotische, das Wunderbare, das Heitere, Kummer, Furcht , Zorn, Hass und die gemeinsame Richtung zur Ruhe hin."
Antonis Anissegos (Klavier)
Label: Wergo