Das Lutherjahr - oder besser: das Reformationsjahr ist in vollem Gange. Und da trifft es sich gut, dass der große Reformator nicht nur ein verbales sondern auch ein musikalisches Sendungsbewusstsein hatte. Um die 30 Choralmelodien- und Texte soll er verfasst und damit für Generationen späterer Komponisten die Vorlage zu eigener Kreativität geliefert haben. Das Leipziger Calmus Ensemble hat jetzt eine CD herausgebracht mit dem Titel "Luther Collage".
Bildquelle: Carus
CD- Tipp 27.01.2017
Der CD-Tipp zum Anhören
Der wohl bekannteste Luther-Choral, "Ein feste Burg ist unser Gott", eröffnet diese CD, vorgetragen als schlichte Melodie, aus der aber gleich auf Anhieb auch der kämpferische Geist des Reformators spricht. Sieben solch allseits bekannter und bis heute gebräuchlicher Luther-Choräle hat das 5-köpfige Calmus Ensemble auf seiner neuen CD zusammengetragen und jeweils mit späteren Vertonungen derselben Melodie kombiniert. Den Anfang macht der Katholik Stephan Mahu, der sich, in Habsburgischen Diensten stehend, aktiv an der neuen protestantischen Liedproduktion beteiligte.
Schon in dieser frühen zeitgenössischen Motette Mahus über "Ein feste Burg" erfährt das ursprünglich kämpferisch gemeinte Lied eine erste kunstvolle Interpretation - ebenso kunstvoll zutage gefördert von einem Vokalquintett, das zweifellos zu den führenden seiner Art gehört. Zudem profitiert das Männer-dominierte Calmus Ensemble von einem Frauensopran in seinen Reihen. Denn hierdurch ist der Spielraum in Sachen Tonumfang und Klangfarbe um einiges größer als bei reinen Männerensembles - wie die Interpretation von Johann Sebastian Bachs berühmter Orgel-Choralbearbeitung über Luthers "Nun komm der Heiden Heiland" zeigt. Da es sich bei dieser Vorlage um ein Instrumentalstück handelt, werden die figuralen Passagen entsprechend als textlose Vokalise wiedergegeben - ein Verfahren, mit dem Calmus an seine Affinität zur Unterhaltungsmusik anknüpft.
Da Bach selbst aber in seinen Arien und Kantaten Singstimmen oft wie Instrumente behandelt - und vice versa - erscheint eine solche Interpretation durchaus legitim. Musikalisch überzeugend ist auch der direkt anschließende Brückenschlag ins 20. Jahrhundert zu dem schwedischen Komponisten Gunnar Eriksson. Dessen Vertonung kombiniert die schwedische Version des Lutherchorals mit einem heimischen Volkslied und wird von Calmus zweisprachig vorgetragen.
Auch Brahms, Mendelssohn und Max Reger sind auf dieser Luther-CD vertreten. Ebenso wie der zeitgenössische romantische Thomaskantor Carl Piutti, dessen Choralvorspiele hier vokalisiert werden. Und apropos Thomaskirche: Die Aufnahmen zu dieser "Luther Collage" fanden nächtens in der Vierung dieses so traditionsreichen Kirchenraumes statt und trugen hörbar zur kontemplativen Grundstimmung dieser Aufnahme bei. Das Ganze klingt aus mit Luthers Choral "Verleih uns Frieden gnädiglich" in vier Variationen; die vielleicht eindringlichste ist diejenige von Arvo Pärt: sein "da pacem" kreist zwar weniger um die ursprüngliche Melodie, dafür aber um deren elementare Aussage und gehört damit zu den faszinierendsten Darbietungen dieser CD.
Luther-Choräle
in Bearbeitungen von
Michael Praetorius, Stephan Mahu, Johann Hermann Schein, Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms, Felix Mendelssohn Bartholdy, Gunnar Eriksson, Arvo Pärt u.a.
Calmus Ensemble
Label: Carus