BR-KLASSIK

Vielleicht ist es einfach nur ein Spiel. Wie übermütige Kinder werfen sich die beiden Klaviere die Bälle zu, hin und wieder zurück, ausgelassen, mühelos, unbeschwert. Sie gehen völlig auf im Hier und Jetzt, in der Freude des Augenblicks. Vielleicht ist es aber auch mehr als nur ein Spiel. Denn passt man genau auf, taucht man ein unter die glitzernde und perlende Oberfläche, dann hört man wie sich die Klaviere immer wieder ein magisches Wort zurufen: Halleluja, Halleluja.

"Hallelujah Junction" ist eines der besten Werke von John Adams, groovig und geistreich zugleich. Auch seine Autobiographie hat Adams nach diesem Stück benannt. Hier ist es der Schluss- und Höhepunkt einer außergewöhnlichen CD mit einem außergewöhnlichen Klavierduo: Christina und Michelle Naughton sind eineiige Zwillinge und so perfekt aufeinander abgestimmt, dass ihr Lehrer an der renommierten Juilliard School manchmal glaubte, eine Person mit vier Händen zu hören. Von ihren Eltern, die beide Mathematiker sind, haben die New Yorker Pianistinnen ein Faible für komplexe Rhythmen und moderne Klänge mitbekommen. Und so besticht das junge Duo auf seinem ersten Album für ein großes Label auch durch eine kluge Programmwahl fernab vom Mainstream.

Jubel und Gebet

Dem leichtfüßigen Hallelujah-Jubel von John Adams stellen Christina und Michelle Naughton einen der tiefsinnigsten Klavierzyklen des 20. Jahrhunderts gegenüber: Olivier Messiaen entwirft in seinen "Visions de l’Amen" ein wuchtiges theologisches Gedankengebäude, das von der Schöpfung über den Tod Jesu am Kreuz bis hin zu den Sternen und Planeten den ganzen Kosmos umfasst. Zugleich ist den sieben Stücken aber auch eine versteckte private Botschaft eingeschrieben: eine zärtliche Liebeserklärung an Messiaens damalige Duo-Partnerin und spätere Ehefrau, Yvonne Loriod.

Den Himmel gestürmt

Christina und Michelle Naughton lassen Messiaens Visionen hell und licht schillern wie kristallklares Weihwasser. Entspannte Ruhe und kraftvolle Virtuosität sind Ausdruck derselben Freude, die letztlich auch das Stück von John Adams antreibt und die kleine Bach-Transkription von György Kurtág durchströmt, die die CD komplettiert. Mag sein, dass diese Miniatur in anderen Aufnahmen noch mehr unter die Haut geht. Dennoch: Mit diesem Konzeptalbum, auf dem sich Geistliches und Weltliches auf faszinierende Weise durchdringen, haben die Naughton-Zwillinge in spielerischer Leichtigkeit den Himmel gestürmt.