Der Big Band Jazz war in den 70er Jahren lange nicht mehr so populär wie noch 30 oder 40 Jahre zuvor, aber sehr spannend, atmosphärisch und experimentierfreudig. Die Jazzmeister der alten Tage waren auch noch verfügbar und in ihren besten Jahren, so wie Clark Terry. Count Basie, Duke Ellington und Quincy Jones hatten sich einst darum gerissen, den Trompeter und Flügelhornisten für ihre Big Bands zu engagieren. Der 2015 94-jährig verstorbene Terry war ein Solist der unbegrenzten Möglichkeiten und eine Bank im Bläsersatz. Seine Verlässlichkeit stand seiner Kreativität in nichts nach.
Bildquelle: MPS
CD-Tipp 18.11.2016
"Clark after Dark - The ballad artistry of Clark Terry"
Clark Terry wusste, wie man ein Publikum unterhielt und war Anfang der 60er Jahre der erste afro-amerikanische Musiker in der Studioband der "Tonight Show" geworden, jenem Talkshow-Schlachtschiff der NBC. 1977 arrangierten Peter Herbolzheimer, Jerry van Rooyen und Horst Mühlbrandt für ihn und ein hochkarätig besetztes, englisches Jazzorchester mit Streichern klassische Jazzsongs, die ganz zugeschnitten waren auf die Fähigkeiten von Clark Terry, der mit seinem in sanften Farben leuchtenden Sound das Flügelhorn als Soloinstrument im Jazz etabliert hatte und in dieser Aufnahme ausschließlich einsetzte.
Clark Terry war - wenn er nicht wie hier gerade ein Balladenprogramm spielte - ein sehr witziger, auch bravourös singender und scattender Jazz-Star mit großer Bebop Kompetenz. Seine Soli hatten immer etwas Erzählerisches, waren unterhaltsam und zugleich von berührender Ausdruckstiefe. Seine virtuose Technik stellte er ganz und gar in den Dienst der musikalischen Erzählung. Die gebündelte, wohl dosierte Kraft, mit der er in großer Ruhe das Potenzial der schönen Melodien auskostet mit ungemein langem und fabelhaft geführtem Atem, die mühelos angesteuerten Spitzentöne und immer wieder sein herrlicher Klang, satt und beweglich zugleich - all das ist von schlicht zeitloser Schönheit.
Viel Raum lassen die Arrangements diesem exzellenten Musiker, der sich gleichzeitig an den Bandsound schmiegt und aus ihm heraus leuchtet. Immer wieder spannend dabei: der Wechsel von ganz reduzierten Backings, atmosphärischen Klangflächen und volltönenden Bläserpassagen. Dass die Musik so herrlich erstrahlt, wurde durch das sachte Remastern, die klangliche Überarbeitung dieser Aufnahmen aus dem Jahr 1977 noch verstärkt. Es ist ein Genuss, die CD "Clark after Dark" in einem Satz durchzuhören, und das locker Beschwingte ebenso wie das mysteriös Schöne an einem dieser dunklen Abende zu genießen.
Clark Terry (Flügelhorn)
Orchester unter der Leitung von Peter Herbolzheimer
Label: MPS