Fast 50 Jahre ist es her, dass Friedrich Gulda im MPS Tonstudio Villingen im Schwarzwald die 24 Préludes von Claude Debussy eingespielt hat. Diese Aufnahme aus dem Jahr 1969 gilt als legendär. Zum 100. Todesjahr von Claude Debussy erscheint die Einspielung nun remastered auf CD und Vinylschallplatte mit originalgetreuer Ausstattung.
Bildquelle: MPS
Der CD-Tipp zum Anhören
Gulda spielt Mozart oder Beethoven, das sind bekannte und in den letzten Jahren immer wieder in Erinnerung gerufene Momente der Interpretationsgeschichte. Aber: Gulda spielt Debussy? Auch das eine Kontinuität!
Musik hoch
Friedrich Gulda, der im Jahr 2000 verstorbene Rebell unter den Pianisten, bewunderte zeitlebens Debussys Musik. Das beweisen bereits frühe Tondokumente aus den 1940er Jahren. Kurz nachdem er 1969 dann beim deutschen Jazzlabel MPS eine Aufnahmeserie unterschrieben hatte, legte Gulda als erste Platte eine Gesamteinspielung der Debussy-Préludes vor, also einen Zyklus aus dem klassischen Kernrepertoire. Auf dem Cover die Anmerkung: "Tribute to the Past". Und sein Argument damals im Interview mit dem Jazzexperten Joachim Ernst Behrendt: Die halbe Jazzmusik lebe ja von Debussy. Dass sich in Debussys Musik wiederum Jazzeinfluss bemerkbar macht, zeigen einige seiner Préludes.
Damit der einmalige Klang der Einspielung von 1969 erhalten bleibt, hat Mastering-Ingenieur Christoph Stickel Guldas Debussy-Aufnahmen so nah wie möglich am analogen Original behutsam restauriert. Gulda selbst war bekanntermaßen ein Bastler und Klangtüftler. Möglichst dicht an den Klaviersaiten sollte mikrofoniert, die Raumakustik weitgehend ausgespart werden. Das ist durchaus üblich im Jazz, aber eher untypisch und selten bei Klassikaufnahmen. Mit dem damaligen Technikteam wurde jedenfalls ein intimer Klangraum geschaffen, der sich jetzt wunderbar nachvollziehen lässt und Guldas Debussy-Interpretationen im besten Sinne offenlegt.
Gulda spielt die Préludes unglaublich nuanciert und farbenreich. Er seziert die harmonischen Verläufe dieser Musik, die oft schwebend und im Gefüge dann doch nie instabil ist. Das alles passiert offensichtlich ganz selbstverständlich und aus natürlichem musikalischen Empfinden heraus. So kommt einem ein selten klarer und analytischer Debussy entgegen, der jedoch keine Emotionen oder expressiven Ausdrucksgesten verwehrt. Ein Forte-Ausbruch wird von Gulda auch als solcher extrem gestaltet, intime Abschnitte spielt er mit Piano-Abstufungen, die ein durchweg runder und kerniger Anschlag auszeichnet. Nichts wird verhuscht. Klangliche Details verschwimmen nie durch Pedaleinsatz. Über allem steht die zyklische Anlage, die alles zusammen hält.
So ist diese Publikation ein Juwel der musikalischen Aufnahmegeschichte und unterstreicht, wie phänomenal Gulda vor einem halben Jahrhundert Debussy gespielt hat. Eine Referenzaufnahme bis heute, bei der es viel zu entdecken gibt.
Claude Debussy:
24 Préludes, Bd. I & II
Friedrich Gulda (Klavier)
Label: MPS
Sendung: "Leporello" am 25. Januar 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK