Als eine "cantora de fado", eine Sängerin also, die klassische Fados interpretiert, hat Cristina Branco Mitte der 90er Jahre ihre internationale Karriere begonnen. Im Lauf der Zeit hat sie ihre Stilistik erweitert und in verschiedene Richtungen geöffnet – auch hin zum Jazz. Auf ihrem neuen, fünfzehnten Album, das schlicht "Branco" heißt, interpretiert die 45-jährige aber vor allen Dingen Lieder von jungen, portugiesischen Kolleginnen und Kollegen aus dem Singer-/Songwriter- und Popmusik-Umfeld.
Bildquelle: O-Tone- Music
Der CD-Tipp zum Anhören
Seit Salvador Sobral 2017 mit "Amar pelos dois" den ESC gewonnen hat, weiß man, dass die Popmusik in Portugal sehr feinsinnige und poetische Spielarten bereithalten kann. Das gilt auch für die Lieder, die Cristina Branco für ihr Album ausgewählt hat – und nicht nur auf der musikalischen Ebene. Berührende Lyrik im melancholischen Tonfall fördern die Übersetzungen der Texte zu Tage.
"Ich habe kein Licht in der Vergangenheit / Der Mond verschwand für mich / Man nennt ihn neu, für mich aber ist er erloschen / Im Dunkeln gibt es keine Farben /Es wird immer so sein." Düstere Zeilen wie diese, vorgetragen mit leuchtend hellem Mezzosopran, umrahmt von musikalischer Aufbruchsstimmung – das ergibt einen besonderen Reiz des Gegensätzlichen. Und der lässt sofort aufhorchen – auch dann, wenn man kein Portugiesisch versteht.
Wen das ganz natürlich und positiv gestimmte Timbre der Sängerin, ihr effektiv eingesetztes flirrendes Vibrato und ihre jubelnden Höhen in Schwingung versetzt, wird auch an den elf weiteren Songs auf dem Album Freude haben. Sie bestechen mit ihrer frischen Energie und gehen ins Ohr, ohne dabei seicht zu sein. Dazu tragen auch Cristina Brancos ebenso virtuose wie geschmackvoll aufspielende Musiker bei. Sie veredeln die anschmiegsamen Melodien mit fein verwobenen Klängen und einem ebenso leichtfüßigen wie resoluten rhythmischen Drive. Kammermusikalisch, ohne Schlaginstrumente, dafür mit Flügel, Kontrabass und dem typischen, leicht metallischen Sound der lautenartigen portugiesischen Gitarre, die charakteristisch im Fado ist.
Die Musik, die so entsteht, ist von vibrierender Lebendigkeit. In ihrem Tonfall versammelt sich die Lust am Leben, die Verletzlichkeit der Seele, die Trauer um Verlorengegangenes und der Lebensmut, den ein neuer Morgen mit sich bringen kann. Und das ist wie eine Infusion gegen den grauen und abgestumpften Alltag. Also: absolut empfehlenswert.
Cristina Branco (Gesang)
Bernardo Coutos (Portugiesische Gitarre)
Bernardo Moreiras (Bass)
Luís Figueiras (Klavier)
Label: O-Tone- Music
Sendung: "Leporello" am 18. Juni 2018, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK