Erstaunlich vielfältig ist im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert das musikalische Echo auf die Reformation Martin Luthers. Es zeigt sich in schlichtem einstimmigen Gesang oder prachtvoller Mehrchörigkeit und beweist einmal mehr, dass die Musik über alles Trennende hinweg für Verständigung sorgte.
Bildquelle: Deutsche Harmonia Mundi
CD-Tipp 14.02.2017
Der CD-Tipp zum Anhören
Denn während noch ein tiefer Riss durch die Gesellschaft ging und die christlichen Konfessionen sich feindselig gegenüberstanden, tauschten sich Komponisten protestantischen oder katholischen Glaubens miteinander aus und vertonten geistliche Werke auf dieselbe Textvorlage: "Herr, gib uns Frieden" - "Da pacem, Domine", heißt es auch in Orlando di Lassos gleichnamiger, melancholisch getönter fünfstimmiger Motette.
Durch das Programm des Albums zieht sich wie ein roter Faden die lateinisch gesungene Antiphon "Da pacem, Domine", eine schlichte gregorianische Melodie, überliefert aus dem 9. Jahrhundert. Luther wandelte sie 1529 um in ein deutsches Kirchenlied und bewirkte damit, dass der unbändige Wunsch nach Frieden auch dem einfachen Volk verständlich wurde. Diese deutsche Version wählte Heinrich Schütz später für seine kurze Motette "Verleih uns Frieden", die er im Friedensjahr 1648 beginnen lässt als eindringliche Bitte.
Die Sehnsucht nach Frieden ist dem Menschen eingeschrieben: Es ist die Musik, die diese Botschaft überbringen und Trennendes versöhnen kann. Luther hat dies erkannt und in seinen theologischen Schriften mehrfach hervorgehoben: "Ich liebe die Musik. Denn sie ist ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen, sie macht das Gemüt froh, sie verjagt den Teufel, sie bereitet unschuldige Freude. Darüber vergehen Zorn, Begierden, Hochmut."
Der Wittenberger Theologieprofessor ließ seinen Worten Taten folgen, verfasste Texte und Melodien für knapp 40 Kirchenlieder, inspirierte mit seinen Chorälen viele Komponisten. Der 1640 verstorbene, in Erfurt wirkende Michael Altenburg etwa schrieb eine Intrada über "Ein feste Burg". Katharina Bäuml und ihre Capella de la Torre spielen dieses Symbollied der Reformation hinreißend lebendig und farbig.
Dass die christlichen Konfessionen im Zeitalter der Reformation herausragende Musiker in einem befruchtenden Wechselspiel zu singulären Kompositionen animierten, zeigt diese CD mit 16 Werken abwechslungsreich und auf hohem Niveau: wie immer besticht der grandiose RIAS Kammerchor mit lichtem, warmem Klang, runder Tongebung und einer klugen Textgestaltung. Und Florian Helgath vereint dabei Chor und die Capella de la Torre zu einem fulminanten Widerhall auf diese Geschehnisse aus längst vergangener Zeit. Das Verbindende im Trennenden der Konfessionen berührt in diesen musikalischen "Echos der Reformation" bis heute.
Moritz von Hessen:
Tromba Hollandica
Luca Marenzio:
Jubilate Deo'
Gregorianik:
Da pacem Domine
Orlando di Lasso:
Da pacem Domine
Heinrich Schütz:
Verleih uns Frieden
Michael Altenburg:
Intrada XII über "Ein feste Burg"
Jacobus de Kerle:
Missa "Da pacem Domine": Agnus dei
Orazio Vecchi:
Cibavit nos
Heinrich Schütz:
O süßer, o freundlicher
Giovanni Gabrieli:
Dulcis Jesu patris imago
Martin Luther/Johann Walter:
Verleih uns Frieden gnädiglich
Heinrich Schütz:
Gib unsern Fürsten
Girolamo Parabosco:
Da pacem
Giovanni Gabrieli:
Magnificat
Claudio Monteverdi:
Salve Regina
Michael Praetorius:
Meine Seele erhebt den Herren
RIAS Kammerchor
Capella de la Torre
Leitung: Katharina Bäuml
Gesamtleitung: Florian Helgath
Label: Deutsche Harmonia Mundi