Es gibt fast nichts an Standardrepertoire, was Daniel Müller-Schott nicht schon aufgenommen hätte. Ausgerechnet Tschaikowskys populäre "Rokoko-Variationen" fehlten noch in seiner Diskografie. Diese Lücke hat Müller-Schott jetzt geschlossen – und ein Album rund um Tschaikowsky zusammengestellt. Begleitet wird er vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, das hier von einem neuen Talent aus Usbekistan geleitet wird: Aziz Shokhakimov war 2010 beim Bamberger Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb erfolgreich, 2016 hat er noch den Young Conductors Award der Salzburger Festspiele gewonnen.
Bildquelle: Orfeo
Der CD-Tipp zum Anhören
Kraftvoll ist sein Ton, kernig und intensiv: Daniel Müller-Schott nähert sich Tschaikowsky ohne Gefühlsduselei, aber auch ohne falsche Scheu. Geschickt erweitert er auf seinem russischen Album das begrenzte Cello-Repertoire des Komponisten. Wie schon auf einigen seiner früheren Einspielungen hat sich Müller-Schott hier bei den Geigern bedient – und Tschaikowskys "Erinnerung an einen geliebten Ort" erstmals auf seinem Instrument eingespielt. Ziemlich unbequem liege das auf dem Cello, verrät Müller-Schott im Booklet. Aber mit seiner makellosen Technik besteht er auch dieses Abenteuer mühelos.
Und trotzdem hätte sich mit Tschaikowsky keine ganze Cello-CD füllen lassen. Deshalb stellt ihm Müller-Schott dessen Kollegen und Freund Alexander Glasunow an die Seite, der wie Tschaikowsky als "Westler" verschrien war. Und tatsächlich klingen Glasunows bezaubernde Miniaturen weniger "russisch" als etwa Glinka oder Borodin. Immer geschmackvoll "singt" Daniel Müller-Schott auf seinem Cello, sonor in der Tiefe und blitzblank in der Höhe. Der junge Dirigent Aziz Shokhakimov sorgt mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin für eine inspirierte Begleitfolie. Voller Elan werfen sich die Musiker in Glasunows "Sérenade espagnole", dass die Funken nur so sprühen.
Das Highlight der CD sind Tschaikowskys "Rokoko-Variationen", ein Paradestück für alle Cellisten. Müller-Schott gestaltet das frei erfundene Thema völlig natürlich, schlank und innig – ganz so, wie es sich Tschaikowsky gewünscht hat: "semplice", also "schlicht". Elegant und virtuos umspielt Müller-Schott dieses graziöse Thema in den folgenden Variationen – er ist eben auch ein enorm "höhensicherer" Cellist.
Auch wenn es klischeehaft klingt: Das ist wirklich mal eine CD zum Schwelgen und Träumen. Eine Pralinenschachtel mit russischem Konfekt – aber bei Daniel Müller-Schott und Aziz Shokhakimov garantiert ohne Geschmacksverstärker!
Peter Tschaikowsky:
Pezzo capriccioso op. 62
"Souvenir d'un lieu cher” op. 42
Rokoko-Variationen op. 33
Andante cantabile op. 11
Nocturne op. 19
Alexander Glasunow:
Zwei Stücke op. 20
"Chant du ménestrel" op. 71
Nikolaj Rimskij-Korsakow:
Sérénade op. 37
Daniel Müller-Schott (Violoncello)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Aziz Shokhakimov
Label: Orfeo
Sendung: "Leporello" am 25. Oktober 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK