Die historisch informierte Aufführungspraxis ist längst nicht mehr auf die Barockmusik oder die Wiener Klassik beschränkt. François-Xavier Roth und sein Orchester Les Siècles etwa sind an beidem nicht interessiert. Sie konzentrieren sich vielmehr mit Komponisten wie Saint-Saëns, Debussy oder Strawinsky auf das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert, ganz besonders auf jene Werke, die damals für die legendären Ballets Russes des Impressarios Serge Diaghilew komponierten wurden.
Bildquelle: harmonia mundi
CD-Tipp 29.03.2017
Der CD-Tipp zum Anhören
So legten Roth und Les Siècles 2014 eine Aufnahme von Strawinskys "Le Sacre du Printemps" vor, die durch ungewohnt neue Klangfarben faszinierte. Das gilt ganz ähnlich für ihre Neuaufnahme von Ravels Ballett "Daphnis et Chloé", das wie Strawinskys "Sacre" zu den großartigsten Partituren des 20. Jahrhunderts gehört.
Wunderbar hell und durchlässig klingt Ravels Ballett in der Deutung von Les Siècles. Die rund 100 Jahre alten Instrumente verleihen dem Bläsersatz eine große Wärme und zerbrechliche Leichtigkeit, vor allem aber einen ungeheuren Reichtum an Farben und Schattierungen. Für unsere heutigen Ohren mag diesem Orchesterklang vordergründig die strahlende Brillanz moderner Instrumente abgehen. Doch genau für diese, Anfang des 20. Jahrhunderts, gebauten Instrumente und ihren spezifischen Klang, hat Maurice Ravel seine Musik komponiert. Dabei führte er die Instrumente hier und da durchaus in Grenzbereiche.
Je öfter man diese Aufnahme hört, umso intensiver entfaltet diese wunderbare Musik eine ganz eigene, fragile Schönheit, auch weil die Franzosen sehr sorgfältig in die Partitur geschaut und François-Xavier Roth das Orchestermaterial noch einmal akribisch unter die Lupe genommen hat. Seine Einspielung überwältigt mit einem enormen Detailreichtum, nimmt sich Zeit und wagt deutliche Tempokontraste. Und doch verliert sich Roth nie in übertriebenen Tüfteleien, spannt vielmehr den großen Bogen, den gerade dieses 55-minütigeWerk Ravels unbedingt benötigt. Ein Wurf!
Les Siècles
Leitung: François-Xavier Roth
Label: harmonia mundi